CFP 16.02.2018

Political Emotions in the Arts (Hamburg, 15-18 Oct 18)

Warburg-Haus Hamburg, Germany, 15.–18.10.2018
Eingabeschluss : 31.03.2018

Benjamin Fellmann

--for English, see below--

Politische Emotionen in den Künsten
Internationales Warburg-Kolleg 2018

Philipp Ekardt, Frank Fehrenbach, Cornelia Zumbusch

Die Rolle von Emotionen in der Politik wird gegenwärtig intensiv debattiert. Gefühle wie Vertrauen, Hoffnung, Angst, Empörung oder Verachtung sind in Soziologie, Politologie bzw. politischer Philosophie als Movens von Protestbewegungen, als Teil demokratischer Meinungsbildung oder als treibende wie widerständige Kraft von Globalisierungsprozessen identifiziert worden. Dabei wird insbesondere nach der Funktion und Legitimität von Emotionen in der Politik gefragt: Braucht die Politik mehr Pathos? Oder gilt es umgekehrt, die notwendig schwankenden, manipulationsanfälligen Gefühle aus politischen Prozessen herauszuhalten? Und können politische Entscheidungen überhaupt rein rational getroffen werden, oder sind Emotionen aus der Politik schlicht nicht wegzudenken?

Anknüpfend an diese aktuellen Fragen befasst sich das Warburg-Kolleg 2018 "Politische Emotionen in den Künsten" mit der Geschichte der wechselseitigen Implikation von Politik und Emotionen im Medium der Künste. Wir gehen von der Überlegung aus, dass der Gefühlsausdruck und die emotionale Affizierung, Stimulierung, Mobilisierung oder Manipulation politischer Subjekte in grundlegender Weise auf Medien – seien es Bilder, Monumente und gebaute Räume, Texte und Inszenierungen, Fotografie und Film etc. – angewiesen ist. Seit der Antike und Frühen Neuzeit bilden sich in Denkmälern und Bauten, im Herrscherporträt oder im dichterischen Herrscherlob, im Festumzug oder in höfischen Theaterformen Bildformeln und textuelle Gattungen heraus, die besondere Gefühlseinstellungen propagieren oder die direkte Emotionalisierung ihrer Rezipienten im Sinn haben. Affektmodelle wie das vom selbstbeherrschten, charismatischen oder gar melancholischen absolutistischen Herrschenden, 'republikanisch'-bürgerliche Gefühlsideale wie Vaterlandsliebe, Mitleid, (mütterliche) Sorge oder Sympathie, Wirkungsziele wie Enthusiasmus oder Bewunderung, Effekte wie Schrecken, Terror oder Hysterie thematisieren Affektlagen, die für den Führungsanspruch oder das Versagen sogenannter 'großer Männer' und 'taktierender Regentinnen', für den Zusammenhalt politischer Gebilde, für massenpsychologische Phänomene wie Umsturz und Revolution oder für das Kippen dieser Bewegungen in Terror und Schrecken verantwortlich gemacht werden. Der somit historisch fest etablierte Nexus zwischen Politik, Emotionen und Medien gewinnt derzeit in den Sozialen Medien neue Dimensionen, etwa in Gefühlskulturen der Empörung, des 'Trolling', also der provozierend-hetzenden Rede, aber auch in der Solidarisierung über Online-Technologien. In der echtzeitschnellen Verbreitung von Bildern, Texten, Geräuschen etc. durch das Internet verschwinden zunehmend die Grenzen zwischen affiziertem und affizierendem Subjekt. Zugleich sehen sich besonders die visuellen Künste in neuer Weise mit Forderungen nach der Auslösung politisch erwünschter Emotionen konfrontiert (Solidarität, Empörung, Scham etc.).

Im Blick auf die historischen und medialen Ausdifferenzierungen soll im Rahmen des Warburg-Kollegs gefragt werden, auf welche Weise Verbindungen zwischen Politik und Emotion in den Künsten hergestellt wurden und werden. Wie befördern die Künste die (Ent-)Emotionalisierung politischer Prozesse? Wie organisieren sie den Nexus von Politik und Emotionalität, wo reflektieren sie diese Verbindung? Und wie entwerfen die Künste in diesem Zusammenhang ihre je eigenen gestalterischen Tätigkeiten und formalen Möglichkeiten? Besondere Aufmerksamkeit könnte dabei der Rolle der Künste in politischen aber auch technisch-medialen Umbruchssituationen gelten, in denen man sich verstärkt darum bemüht, alte Ordnungsmodelle zu kritisieren und neue zu plausibilisieren, zu etablieren und zu konsolidieren.

Inwiefern lassen sich etwa im Bezug auf dramatische Formen, die ja seit der Antike mit der Erregung der höchst diversen Emotionen des Schreckens, der Bewunderung oder des Mitleids beauftragt worden sind, Funktionswechsel beobachten? Welchen Logiken folgt die Umstellung auf unterschiedliche Wirkungsziele? In welcher Beziehung stehen statische und performative Bildformen zur Modellierung spezifischer Affekttypen? Wie lassen sich die rekursiven Prozesse erfassen, die bei der Inszenierung politischer Gefühle etwa in der frühneuzeitlichen Spektakelkultur zuletzt auch auf den Herrscher selbst zielen? Wie lassen sich öffentliche Denk- und Mahnmale in ihrer historischen Entwicklung und in der Zeitspanne zwischen Errichtung, Präsenz und Veränderung bzw. Versetzung oder Zerstörung als Kristallisationspunkte politischer Emotionen erfassen? Welche unterschiedlichen Strategien des Affektmanagement werden im Zeichen neuer Medientechniken entwickelt, etwa in der Adaptierung der rhythmischen Zäsur im Werk Eisensteins als Gestaltung des Filmschnitts, der sich das Pathos der Revolution zu eigen macht, in Benjamins Konzeptualisierung des Schocks, oder im bewusst 'kühlen', an der vermeintlich nüchternen Fotografie orientierten Sprachstil neusachlicher Reportageliteratur? Welche Medienkonkurrenzen oder Medienwechsel sind seither zu beobachten: Haben derzeit vor allem digitale Bildmedien die Funktion übernommen, Bilder zur Erzeugung von Schrecken (Terror) oder Mitleid (Solidarität) zu produzieren und zirkulieren zu lassen? Wie verändert sich die sprachliche Gestaltung von Emotion im digital-technischen Zeitalter? Und gibt es womöglich ein Pathosformelrepertoire, das als formales Kontinuum einer (vielleicht nicht nur visuellen) Affektpolitik gedacht werden kann?

Das Warburg-Kolleg 2018 richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler aus den Kulturwissenschaften, insbesondere der Kunstgeschichte sowie der Literatur-, Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Die Veranstalter laden zu einer einwöchigen Sitzung vom 15.-18. Oktober 2018 ins Warburg-Haus Hamburg ein, um erste Textentwürfe zu präsentieren und zu diskutieren. Die im Anschluss ausgearbeiteten Texte sollen in der Reihe "Mnemosyne. Schriften des Internationalen Warburg-Kollegs" publiziert werden.
Kollegsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Reise- und Unterbringungskosten werden von den Organisatoren getragen. Interessierte bewerben sich bitte mit kurzem Lebenslauf und aussagekräftigem Exposé bis zum 31. März 2018 an cornelia.zumbuschuni-hamburg.de.

--

Political Emotions in the Arts
Warburg International Seminar 2018

Philipp Ekardt, Frank Fehrenbach, Cornelia Zumbusch

The role of emotions in politics is currently subject to intensive debates. Sociology, political science and political philosophy have identified such feelings as trust, hope, fear, outrage or contempt as motors of protest movements, as part of democratic processes of opinion-forming or as both driving and resisting forces in processes of globalization. The question of the function and legitimacy of emotions in politics is particularly persistent: Do politics need more pathos? Or is the reverse case imperative, that is, do feelings need to be kept out of political processes, since they are inevitably unsteady and prone to manipulation? Can political decisions be taken fully rationally, at all, or are politics simply unthinkable without emotions?

Taking on these current issues, the Warburg International Seminar 2018 "Political Emotions in the Arts" addresses the history of mutual implications of politics and emotions in the medium of the arts. We assume that the expression of sentiment and emotional excitation, stimulation, mobilization or manipulation of political subjects are fundamentally dependent on media – be it images, monuments and edified spaces, texts and productions, photography and film etc. Since antiquity and the early modern times, visual formulas and textual genres have emerged in monuments and buildings, portraits and poetic praise of rulers, pageants and forms of courtly theatre, that propagate specific emotional conditions or aim to directly emotionalize recipients. Models of affects such as that of the self-possessed, charismatic or even melancholy absolutist sovereign, 'republican'-civil ideals of feelings such as patriotism, compassion, (maternal) care or sympathy, agency objectives such as enthusiasm or admiration and effects such as horror, terror or hysteria address affective situations that are held responsible for claims to leadership of so-called 'great men' and 'tactical queen regents', for the cohesion of political entities, for psychological group phenomena such as subversion and revolution or for a turning of such movements into terror and fright. This historically firmly established nexus of politics, emotions and media currently gains new dimensions via social media, e.g. in emotional cultures of outrage, of 'trolling', that is, provocative-inflammatory speech, but just as well in the establishing of solidarity via online technologies. The real-time spreading of images, texts, sounds etc. through Internet increasingly blurs the boundaries between the affected and the affecting subject. The visual arts in particular find themselves at the same time confronted in new ways with demands to induce emotions that are politically desired (solidarity, indignation, shame, etc.).

With regard to differentiations in history and media, the Warburg Seminar shall provide a frame to investigate the ways in which links between politics and emotions have been, and still are, established. How do the arts contribute to (de-) emotionalizing political processes? How do they organize the nexus of politics and emotionality, where do they reflect this relation? And how do the arts devise their very own creative actions and formal potentials in this context? Special attention could be given to the role of arts in situations of upheaval in politics, but as well in media and technology, that lead to increased efforts in criticizing old organizational models and the validation, establishing and strengthening of new ones.

For instance, can we observe changes in the functions of dramatic forms, that have since antiquity been entrusted with the arousal of such highly diverse emotions as terror, admiration or compassion? What are the logics followed in conversions towards different agency objectives? What is the relation of static and performative visual forms to the shaping of specific types of affects? How can we grasp the recursive processes in the staging of political feelings that ultimately even aim at the sovereign himself, e.g. in Early Modern spectacle culture? How can public monuments and memorial sites be understood as focal points of political emotions throughout their historic development, and in the periods between erection, presence, and transformation, relocation, or destruction? What are the different strategies of affect management developed with regard to new media technologies, such as in the adaptation of rhythmical breaks in the works of Eisenstein giving shape to a film editing that appropriates the revolutionary pathos, in Benjamin’s conceptualization of the shock, or in the intentionally 'cool' style of the New Objectivity reportage literature following photography, allegedly deemed sober? What rivalries of media or changes of media are to be observed since then: Have digital media at present predominantly taken over the function of production and circulation of images that generate horror (terror) or compassion (solidarity)? How does the linguistic shaping of emotion change in the age of digital technologies? And, might there be a repertoire of pathos formulas that can be thought of as a formal continuum of (perhaps not only visual) affect politics?

The Warburg International Seminar 2018 invites young researchers with a background in Cultural Studies, especially art history, as well as in Literature, Theatre, Film or Media Studies. The organizers invite to the Warburg-Haus Hamburg for a one-week session from October 15th through 18th, 2018 to present and discuss text drafts. The texts are to be finalized afterwards and it is planned that they will be published in the series "Mnemosyne. Warburg International Seminar Papers".
The seminar will be held in English and German. All travel and accommodation expenses will be covered by the organizers. Applications including a short CV (resume) and detailed exposé must be submitted by 31 March 2018 to cornelia.zumbuschuni-hamburg.de.

Quellennachweis:
CFP: Political Emotions in the Arts (Hamburg, 15-18 Oct 18). In: ArtHist.net, 16.02.2018. Letzter Zugriff 19.03.2024. <https://arthist.net/archive/17395>.

^