CONF 29.05.2011

Corpus fictum (München, 7-8 Jul 11)

München, 07.–08.07.2011
Anmeldeschluss: 03.07.2011

Christiane Hille, Institut für Kunstgeschichte, LMU

Ludwig-Maximilians-Universität München, 7. und 8. Juli 2011

Konferenz

Corpus fictum: Soziale Imaginationen des Körpers in der Bildfigur der Frühen Neuzeit

Ort: Carl Friedrich von Siemens Stiftung, Südliches Schlossrondell 23, München

Im bildtheoretischen Verhältnis von Körper und Figur erweist sich die Figur als das gestaltete Bild des Körpers, als Erfahrungsgestalt zweiter Ordnung. Die Figur - lat. figura, verwandt mit fingere, bilden, formen, gestalten, aber auch mit statua, imago, und schema, sowie mit fictor und effigies - tritt dort in Erscheinung, wo der Künstler dem Abbild des menschlichen Körpers eine geformte Gestalt verleiht. Dabei ruft der figura-Begriff gemäß der christlichen Hermeneutik die Bedeutungsebene nicht nur der Vorausdeutung (figuram implere), sondern des Vor-Bildens von etwas (ad aliquid significandum) auf. Die Konferenz verschränkt diesen dynamischen Begriff der Figur mit der prozessualen Qualität des Körpers, der nicht als abgeschlossene Entität sondern als Verlauf von Materialisierungsprozessen seiner verschiedenen Möglichkeiten (Butler), als unstetiger Prozess der Verkörperung verstanden wird. Im Blick steht die bildliche Vorausdeutung des Körpers in der künstlerischen Gestaltung der Figur, wie sie über den Weg der ästhetischen Akzeptanz eine kollektive Beschreibung des Individuums vergegenwärtigt. Im Fingieren ihrer Gestalt erfährt die Figur die Tragfähigkeit ihrer Evidenz. In diesem Zusammenhang avanciert auch die Rede von der Performativität zu einem Arbeitsbegriff der Kunst- und Bildgeschichte, welcher den transformatorischen Verlauf im Verhältnis von Körper und Figur betont. Seiner Erörterung hat sich das Fach bislang erst vereinzelt, und in jüngster Zeit zunehmend schlagwortartig gewidmet. Übertragen auf das bildtheoretische Erkenntnisinteresse der Tagung konfrontiert die Performanz der Figur den mit ihr scheinbar unvereinbaren Begriff bildlicher Repräsentation und seine binäre Auffassung des Verhältnisses von ‚Präsenz’ versus ‚Absenz’, ‚Sein’ versus ‚Nicht-Sein’. Die Figur steht damit im Zentrum der Produktion dessen, was bislang als höhere Wirklichkeit (Burckhardt) des Bildes und seiner Legitimation realweltlicher Machtverhältnisse adressiert wurde, hier aber spezifischer, in Bezug auf die in ihr vorgenommene performative Überhöhung des dargestellten Körpers gedacht werden soll. Besondere Aufmerksamkeit erfahren Körperdarstellungen, die das Prinzip der mimetischen Ähnlichkeit überdehnen, den phänomenalen Leib einer visuellen Verhandlung und semiotischen Antizipation zuführen, und das Verhältnis von Körper und Bildfigur als einen projektiven, die figurierte Sozialität erst konstituierenden Akt sichtbar werden lassen.

Programm:

Donnerstag, 7. Juli 2011

9:00 Begrüßung und Einführung (Christiane Hille)

Sektion I: Formfindung – Verhandlungen des Künstlerbegriffs in seiner Figur
(Moderation: Matteo Burioni)

9:45 Moritz Lampe (Kunsthistorisches Institut Florenz)
'Automimesis als Problem künstlerischer Urteilskraft im Cinquecento'

10:30 Kaffeepause

11:00 Nicola Suthor (Universität Hamburg)
''Die Sorge um sich' in Rembrandts späten Selbstbildnissen'

11:45 Ulrich Pfisterer (Ludwig-Maximilians-Universität München)
'Alternde Künstler als Liebhaber - Inspiration, (Pro-) Kreativität und Verfall'

12:30 Mittagsimbiß

Sektion II: Evidentia in effigies – Konstitution figürlicher Macht
(Moderation: Ulrich Pfisterer)

14:30 Kristin Marek (Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe)
'Das Porträt als Bildfunktion. Königsbilder in der frühen Neuzeit'

15:15 Philine Helas (Bibliotheca Hertziana Rom)
'Des Bettlers neue Kleider'

16:00 Kaffeepause

16:30 Vera Beyer (Freie Universität Berlin)
'Formsache. Zum Verhältnis von Ornat und Königskörper in Goyas Familie Karls IV.'

17:15 Matthias Krüger (Ludwig-Maximilians-Universität München)
'Das bourgeoise Portrait: Zur sozialen Schichtung der Farbe'

18:00 Empfang

Freitag, 8. Juli 2011

Sektion III: Körper im Eindruck der Liebe
(Moderation: Jeanette Kohl)

9:00 Aaron Hyman (Yale University)
'Falling out of Place: Sexualizing the Figures of van Mander's Haarlem Academy'

9:45 Marianne Koos (Universität Freiburg)
'Ambige Körper im Schmerz'

10:30 Kaffeepause

Sektion IV: Körper in höherer Wirklichkeit
(Moderation: Matthias Krüger)

11:00 Michael Thimann (Universität Passau)
'Grenzgebiete der Fiktion. Das mythologische Körperbild in der Frühen Neuzeit'

11:45 Frank Zöllner (Universität Leipzig)
'Michelangelos Masken'

12:30 Mittagsimbiß

Sektion V: Der Eintritt der Figur in den (Bild-)Körper
(Moderation: Christiane Hille)

14:30 Matteo Burioni (Ludwig-Maximilians-Universität München)
'Figuren der Präpotenz: Pallaiuolos mythische Männerkörper'

15:15 Sussan Babaie (Ludwig-Maximilians-Universität München)
'(Con)Figuring Sociability: The European Body in Persian Painting (17th C)'

16:00 Kaffeepause

16:30 Jeanette Kohl (University of California Riverside)
'Speaking Likeness? Body Portraiture in Renaissance Florence'

17:15 Christopher Wood (Yale University)
'Nomen nominandum'

18:00 Resümee, Abschlussdiskussion

19:00 Ende der Tagung


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schriftliche Anmeldung bis spätestens 3. Juli 2011 unter:
kresnikcarl-friedrich-von-siemens-stiftung.de
oder
christina.sebastiancampus.lmu.de

Quellennachweis:
CONF: Corpus fictum (München, 7-8 Jul 11). In: ArtHist.net, 29.05.2011. Letzter Zugriff 26.04.2024. <https://arthist.net/archive/1438>.

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