CFP Mar 22, 2015

Wo ist hier? Malerei, Raum und Gegenwart (Reutlingen, 17-18 Oct 15)

Reutlingen, Oct 17–18, 2015
Deadline: Jun 15, 2015

Christian Malycha

»Wie denkt man das Neue – in der völligen Abwesenheit seiner Bedingungen?«, so fragt Louis Althusser 1977 in Machiavellis Einsamkeit.

Überträgt man dies auf die Kunst der Gegenwart, stellt man u.a. fest, dass seit etwa 200 Jahren jegliches verbindliche Traditions- oder Überlieferungs-, Zeit- oder Geschichtsmodell zerschlagen ist. Die Frage seit der Moderne ist in diesem Sinn nicht bloß diejenige nach der Formulierung einer weiteren, neuen Epoche, sondern viel grundlegender, ob und vor allem wie man bildnerisch überhaupt noch formulieren kann.
Eine Antwort darauf gibt es bislang nicht. Die Gegenwart bleibt fragwürdig, gerade weil sie von der Gleichzeitigkeit dessen, was war, und dessen, was werden könnte, offen gehalten wird. Indem Grund und Folge, Mittel und Zweck in Eins fallen, verbinden sie sich in einer wechselseitigen, doppelten Reflexion. Denn künstlerisch lässt sich die Gegenwart nicht ohne moderne Bedingung denken und zugleich befinden wir uns mit der Moderne immer schon und noch immer im selben ›Raum‹.
So dass die Hoffnung auf eine selbstbewusste, »frei von äußeren Anlässen« (Samuel Beckett) zu sich gekommene Sprache beständig der Arbeit an und mit dem, was schon da war, entspringt. Allerdings ist das, was bei solchem Wiederaufgreifen oder Anknüpfen gleich bleibt, die Form des Wiederholens. Das, was wieder(ge)holt wird, ist nie dasselbe, fortwährend aktualisiert und differenziert es sich, ohne an ein Ende zu gelangen.
Wie spricht man also? Wie ist es heute noch möglich, künstlerisch zu formulieren? In welcher Sprache, mit welchen Mitteln? Den eigenen? Fremden? Oder mit fremden, die man sich erst zu Eigen macht? Mit unhinterfragt aus der Tradition übernommenen Versatzstücken oder gibt es Ausdrucksformen, die zunächst allein in die Sphäre des Kunstwerks gehören? Ausdrucksformen, die mit recht beschränktem Vokabular immer wieder von Neuem gebildet werden müssen, mit denen man zur eigenen Sprache findet und die man schließlich auch noch aushalten muss.

Zusammen mit der Frage nach der Gegenwart – Wo ist hier? – bilden diese Überlegungen den Ausgangspunkt für das aktuelle Ausstellungsprogramm des Kunstvereins Reutlingen (2014–2016), um beantworten zu können, ob uns Malerei, Plastik, Skulptur und Installation im digitalen 21. Jahrhundert überhaupt noch etwas zu sagen haben, ob sie uns noch einen Zugang zur Welt eröffnen oder sogar Welterklärungen liefern können. Zwei Gruppenausstellungen zur Malerei und den raumbezogenen Künsten geben dazu als thematisch-inhaltliche Klammer einen Überblick über die jüngsten künstlerischen Entwicklungen und Strömungen nach 2000.

Die anlässlich von Wo ist hier? #2: Raum und Gegenwart (20. September – 22. November 2015) stattfindende, öffentliche Konferenz soll sich aufgrund der genannten Fragestellungen mit der Relevanz und den Möglichkeiten von Malerei, Plastik, Skulptur und Installation beschäftigen.
Nach der Gegenwart in all ihrer Gegensätzlichkeit sollen dabei befragt werden:
a) die Künstlerinnen und Künstler: nach Ausdrucksweisen, Haltungen, Material und Motiven, Einflüssen, Bezügen und Themen
b) die Institutionen: nach dem Umgang mit sowie der Vermittlung von ›klassischen‹ Ausdrucksformen in einem digitalisierten Zeitalter

Eine Bezugnahme auf die in den beiden Wo ist hier?-Ausstellungen gezeigten Künstlerinnen und Künstler wäre durchaus wünschenswert, jedoch nicht bindend.

Malerei: Thomas Arnolds, Tjorg Douglas Beer, Michael Biber, André Butzer, Ralf Dereich, Hedwig Eberle, Sophie von Hellermann, Lothar Hempel, Franziska Holstein, Friedrich Kunath, Monika Michalko, Michael Riedel, Christoph Ruckhäberle, Adam Saks, Philipp Schwalb, Henning Strassburger, Claudia Wieser, Ulrich Wulff

Plastik, Skulptur und Installation: Axel Anklam, Florian Baudrexel, Eva Berendes, Alexandra Bircken, Henning Bohl, Madeleine Boschan, Nina Canell, Thea Djordjadze, Paula Doepfner, Thomas Helbig, Thomas Kiesewetter, Karsten Konrad, Manfred Pernice, Katinka Plischeur, Gitte Schäfer, Katja Strunz, Mirjam Thomann, Mirko Tschauner

Eine die Beiträge der Konferenz versammelnde Publikation ist geplant.
Die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten ist beabsichtigt und derzeit in Verhandlung.

Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!
Abstracts (300 Wörter) für einen Vortrag (30 min) sowie Ihren Lebenslauf senden Sie bitte bis zum 15. Juni 2015 an:

Christian Malycha
Künstlerischer Leiter

Kunstverein Reutlingen
Eberhardstr. 14
72764 Reutlingen
+49 7121 33 84 01
kontaktkunstverein-reutlingen.de
www.kunstverein-reutlingen.de

Reference:
CFP: Wo ist hier? Malerei, Raum und Gegenwart (Reutlingen, 17-18 Oct 15). In: ArtHist.net, Mar 22, 2015 (accessed Nov 1, 2024), <https://arthist.net/archive/9809>.

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