Das Thema Krieg und Gewalt hat in den vergangenen zwei Dekaden in den verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen eine neue Aufmerksamkeit erlangt. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem auf den Kriegen der Moderne und Gegenwart, während Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen einen Untersuchungsschwerpunkt der Frühneuzeitforschung bildet. [1] Der hier vorzustellende interdisziplinäre Sammelband, der aus einer Sektion des Konstanzer Historikertages von 2006 hervorgegangen ist und um drei Aufsätze erweitert wurde, positioniert sich an der Schnittstelle dieser beiden Forschungsfelder Krieg und Gewalt und bietet durch die Fokussierung auf visuelle Repräsentationen zugleich eine Öffnung der Geschichtswissenschaften hin zu bildwissenschaftlichen Fragestellungen. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag zur frühneuzeitlichen Kriegsgeschichte und ihren bildlichen Darstellungen im Medium der Sprache und der Bilder, einem besonders in der deutschsprachigen Forschung nach wie vor zu wenig beachteten Thema. [2]
In ihrer systematischen, durch Fallbeispiele anschaulich argumentierenden Einleitung erläutern die Herausgeberinnen ihre bewusste Entscheidung für den Repräsentationsbegriff, so dass gar nicht erst der Verdacht aufkommt, es gehe um eine – in der historischen Forschung lange vorherrschenden - Rekonstruktion realer militärischer Ereignisse anhand von Bildern. Mit dem Leitbegriff der „Kriegs/Bilder“ ist die methodische Prämisse verbunden, dass nur „in Bildern (...) über Krieg geschrieben, gedichtet, gezeichnet und gemalt werden“ könne. (9) Der Bildbegriff umfasst dementsprechend nicht nur ikonische Artefakte, sondern auch Sprachbilder, die unauflösbar miteinander verwoben seien und die gleichen Argumente und Formeln benutzten, um für oder gegen den Krieg zu motivieren, zu bewegen, zu rechtfertigen. (21) Bilder werden als Erinnerungsmedien verstanden, die mittels Archetypen eingängige, oft drastische und meist parteiliche Schilderungen von Kriegsgeschehnissen verbreiteten oder in Augenzeugenberichten mit medialen „Realitätseffekten“ eine besondere Evidenz erzeugten. Realität könne sich bestenfalls in Details wie Wappen oder der Konstruktion von Waffen zeigen, der seit dem 15. Jahrhundert von den professionellen Akteuren wachsende Aufmerksamkeit zukam. Um die Entwicklung der Kriegsbilder in ihrer Abhängigkeit von den verschiedenen Medien, den Darstellungstraditionen und der Art und Weise der Kriegsführung langfristig untersuchen zu können, wurde für den Band der weite Zeitraum vom Hundertjährigen Krieg bis in das 18. Jahrhundert gewählt.
Die meisten der Beiträge stammen von Historikern, erweitert um je einen Aufsatz eines Germanisten (Dirk Niefanger) und eines Kunsthistorikers (Ulrich Heinen). Vier Beiträge zum Mittelalter behandeln materialreich und differenziert unterschiedliche Darstellungstraditionen und -typen von kriegerischer Gewalt in Texten und Bildern. Im Ergebnis zeigen sie grundlegende Unterschiede zwischen Gewaltdarstellungen in städtischen und adelig-höfischen Kontexten. So arbeitet Stefanie Rüther die auffallend sachlich-nüchterne Sprache von Kriegsberichten in süddeutschen Städtechroniken des 14. und 15. Jahrhunderts heraus, die – im Unterschied zu adligen Tendenzen der Heroisierung - mit dem pragmatischen Verhältnis der Städte zum Krieg zu erklären sei. Die Nüchternheit der Sprache sei daher „weder auf mangelnden sprachlichen Gestaltungswillen“ zurück zu führen noch entspreche sie der tatsächlichen Form der Kriegsführung. Vielmehr komme darin die Darstellungsabsicht der Chronisten zum Ausdruck, die den Krieg als eine „Art Ressourcenverteilung mit kalkulierbarem Risiko“ stilisierten. Malte Priezel erläutert in seinem Beitrag den kontrollierten Umgang der Chronisten des Hundertjährigen Krieges bei der Schilderung des Todes auf dem Schlachtfeld. Auch wenn ein Einzelschicksal in seiner ganzen Drastik wiedergegeben werden konnte, um dem Leser eine Identifikationsmöglichkeit zu bieten, so wurde das massenhafte Töten und Sterben auf den Schlachtfeldern in ein schmales sprachliches Repertoire abstrahierender Formeln und Passivkonstruktionen gekleidet, um den Autoren die Darstellung von Schrecken und Gewalt zu erleichtern. In seinem Vergleich der Gewaltdarstellungen in der englischen und französischen adlig-höfischen Chronistik des 15. Jahrhunderts mit den städtischen Chroniken der Schweizer Eidgenossenschaft verweist Michael Jucker auf die Abhängigkeit der Gewaltbilder von den jeweiligen Wertvorstellungen. So war im adligen Umfeld Gewalt nur darstellbar, wenn die höfischen Tugenden dadurch nicht in Frage gestellt wurden; kriegerische Gewalt gegen Christen, Frauen und Kinder, die unter ritterlichem Schutz standen, wurde nicht thematisiert, Gewaltexzesse gegen Andersgläubige und revoltierende Söldner hingegen schon. In den Schweizer Chroniken wiederum diente die Darstellung von Gewalt gegen die Zivilbevölkerung der Legitimation der eigenen städtischen Gewaltausübung; im Kontext dieser Legitimationsstrategie nutzten die städtischen Führungsschichten Feindbild-Stereotypen, mit denen sie die Gegner verunglimpften. Simona Slanicka zeigt in ihrer vergleichenden Untersuchung von zwei französischen Bürgerkriegen (1410/20; Bartholomäusnacht), wie Feindbilder in solchen Konflikten konstruiert wurden, in denen die Kontrahenten auf verschiedene Weise in Kontakt zu einander standen und zwischen Freund und Feind oft nur schwer zu unterscheiden war.
Auch der zweite, der Frühen Neuzeit gewidmete Teil des Bandes mit sieben Beiträgen zeichnet sich durch ähnlich dicht aufeinander bezogene Untersuchungsgegenstände aus, die jeweils Vergleiche und Querverbindungen zwischen den einzelnen Beiträgen ermöglichen. Zunächst knüpft die Untersuchung von Peter Burschel zu den Selbstzeugnissen von ehemaligen Sklaven aus der Zeit um 1600, die der osmanischen Gefangenschaft entkommen waren, an die verschiedenen Topoi der Feindbildkonstruktionen und ihrer Rechtfertigungsfunktionen im ersten Teil des Bandes an. Es folgen zwei Beiträge zu Belagerungen (Marseille 1594, Magdeburg 1631) und ihren Deutungen in der medialen Vermittlung durch Metaphern, Personifikationen, Allegorien und anderen Darstellungsformen, die die realen Ereignisse mit imaginären Bildern überlagerten. Wolfgang Kaiser ‚liest’ die Druckschriften und Kupferstiche der Belagerung von Marseille 1595, einem zentralen Ereignis der französischen Religionskriege, als „Streit um die Deutungshoheit über dieses Ereignis und um die Verwandlung des Geschehens in ‚Geschichte’“, bei dem die verschiedenen Akteure sorgfältig unterschieden zwischen der Verbreitung von öffentlich zugänglichen Nachrichten (Avvisi) oder der Beschaffung von Informationen für Entscheidungsträger. Für eines der bedeutendsten frühneuzeitlichen Medienereignisse, die Zerstörung Magdeburgs 1631, die in über 200 Flugschriften und mehr als 40 Flugblättern publizistisch verhandelt wurde, macht Birgit Emich einen methodischen Ansatz fruchtbar, der die Begriffe der Konstruktion, Intermedialität und Performanz miteinander verknüpft. So kann sie zeigen, dass die Deutung der Einnahme Magdeburgs als allegorisches Bild der Hochzeit nicht nur von den Kriegsparteien unterschiedlich instrumentalisiert wurde, sondern dieses Bild (im Anschluss an Bredekamps Theorie des Bildakts) seinerseits wiederum auf das Geschehen und seine Darstellung in Texten und Bildern zurückwirkte. Auf einen anderen Darstellungsmodus hingegen verweist Horst Carl, der für die Radierungen des Brüsseler Malers und Graphikers Augustin Coppens von der Zerstörung Brüssels 1695 den Anspruch größtmöglicher Wahrheitstreue für die Wiedergabe des Geschehens nachweist. Um diese Authentizität und Objektivität der Bilder zu erreichen, habe Coppens vermutlich eine Camera obscura verwendet, die durch neue technische Entwicklungen ab 1670 auch mobil einsetzbar war. Trotz dieser realistisch-dokumentarischen Darstellungsform, so Carl, handele es sich jedoch nicht um eine objektive Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern gerade mit ihrem Realismus vermittelten diese Bilder durch „immanente Signale“ angesichts der verheerenden Kriegszerstörungen auch moralische Botschaften. Demgegenüber unterstreicht Marian Füssel am Beispiel der Schlacht von Zorndorf (1758) während des Siebenjährigen Krieges das kategoriale Problem der Undarstellbarkeit von Krieg im Allgemeinen und Schlachten im Besonderen. Mit Bezug auf Paul Virillos These, dass es im Krieg vor allem darum gehe, sich der mentalen Bilder zu bemächtigen, untersucht Füssel die medialen Strategien der Kontingenzbewältigung, der Legitimation von Gewalt und der unterschiedliche Perspektiven, aus denen die Akteure das Geschehen wahrnahmen.
In den genannten, allesamt von Historikern verfassten Aufsätze werden die visuellen und/oder sprachlichen Darstellungsformen von kriegerischer Gewalt auf Stereotype, Metaphern und Traditionen hin untersucht, um zu zeigen, dass „Geschichtsbilder“ als visuelle, sprachliche oder imaginäre Vorstellungen von historischen Ereignissen und Prozessen jeweils medial bedingt sind. Im Unterschied zu diesen medienhistorischen Ansätzen vertreten der kunsthistorische und der germanistische Beitrag in diesem Band andere methodische Interessen, die nur z. T. aus den anders gelagerten Ausrichtungen der benachbarten Disziplinen resultieren. Ulrich Heinen entwickelt im klassisch ikonographisch-ikonologischen Verfahren für Peter Paul Rubens’ Allegorie auf Krieg und Frieden (1537/38, Florenz, Palazzo Pitti) die These, dass der auch als Diplomat tätige Künstler den Florentiner Großherzog Ferdinand II. de Medici mit diesem Bild auffordern wollte, sich weiterhin militärisch für die Unterstützung der Habsburger im Dreißigjährigen Krieg einzusetzen. Während Heinen ein bisher in der Forschung als Friedensallegorie interpretiertes Bild in eine Allegorie umdeutet, die durch visuelle Strategien der Emotionalisierung zum militärischen Handeln aufrufen will, zeigt Dirk Niefanger an ausgewählten Werken der Nürnberger Pegnitz-Dichter, dass deren starke emotionale Aufladung vor allem kunstimmanente Zielsetzungen verfolgte, die jedoch nicht ohne die spezifischen Kriegserfahrungen der Autoren wie auch ihrer Rezipienten denkbar seien.
Während die geschichtswissenschaftlichen Beiträge in diesem Band thematisch und methodisch enger aufeinander bezogen sind, fügen sich der germanistische und kunsthistorische Aufsatz nur wenig in diesen Rahmen und tragen dadurch kaum etwas zur interdisziplinären Auseinandersetzung so wichtiger Fragen wie den unterschiedlichen Visualisierungsformen von militärischer Gewalt in der Frühen Neuzeit, dem Status von Bildern in diesem Kontext und der medialen Spezifik kriegerischer Repräsentationen bei. Die Schwierigkeiten disziplinenübergreifender Zusammenarbeit sind dabei wesentlich auf die Verwendung eines zu weit gefassten Bildbegriffs zurückzuführen. Es ist allenthalben von Bildern die Rede, ohne dass unterschieden wird zwischen ikonischen, künstlerischen, technischen, sprachlichen oder imaginären Bildern (meist handelt es sich um sprachliche Bilder) und ihren jeweiligen medien- und materialspezifischen Ausdrucks-, Wirkungs- und Wahrnehmungsformen. Das Unbehagen der einzelnen Autoren angesichts einer nur ansatzweise entwickelten bildwissenschaftlichen Methodik für das Thema dieses Bandes zeigt sich nicht zuletzt in den oft aufwendigen theoretischen Hinführungen der Aufsätze zu ihrem Gegenstand. Was hier von den einzelnen auf der Basis der relevanten Literatur an Problembewusstsein für die Komplexität der Aufgabenstellung im einzelnen demonstriert wird, hätte im stärkeren wechselseitigen Austausch und durch eine stärkere Profilierung des Themas seitens der Herausgeberinnen zusammengeführt und diskutiert werden müssen. Trotz dieser Kritik bietet der Band vielfältige neue Erkenntnisse zu sprachlichen und visuellen Darstellungen von Krieg und Gewalt in der Frühen Neuzeit und die konsequente Einbeziehung unterschiedlichster Medien führt eindrucksvoll die Breite des Forschungsfeldes vor Augen. Gerade auch durch die Einbindung mentaler Bilder leistet er aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive einen substantiellen Beitrag für weitere, auch kunst- und bildwissenschaftliche Forschungen, die hier wichtige Anknüpfungspunkte finden können. Erfreulich ist auch, dass der Sammelband mit guten s/w-Abbildungen und einer Auswahlbibliographie ausgestattet ist, die einen Überblick über die wichtigsten, allerdings meist geschichtswissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Krieg und Bilder für den Zeitraum von 1989-2008 bereit hält.
Anmerkungen:
[1] Vgl. etwa Paul, Gerhard, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004; auch die Mehrzahl der jüngeren interdisziplinären Sammelbände konzentriert sich eher auf Moderne und Gegenwart: vgl. Annegret Jürgens-Kirchhoff, Agnes Matthias (Hg.), Warshots. Krieg, Kunst und Medien, Weimar 2006; Thomas Knieper, Marion G. Müller (Hg.), War Visions. Bildkommunikation und Krieg, Köln 2005; zum Themenfeld ‚Gewalt’ zuletzt u.a. Claudia Jarzebowski, Jutta Eming (Hg.), Blutige Worte. Internationales und interdisziplinäres Kolloquium zum Verhältnis von Sprache und Gewalt in Mittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 2008; s. dazu auch Valentin Groebner, Schock, Abscheu, schickes Thema. Die Kulturwissenschaften und die Gewalt (www.unilu.ch/files/schock,-abscheu,-schickes-thema.pdf).
[2] Vgl. Hale, John R., Artists and Warfare in the Renaissance, New Haven/London 1990; Cuneo, Pia F. (Hg.), Artful Armies, Beautiful Battles: Art and Warfare in Early Modern Europe, 2002; der Sammelband „Mars und die Musen. Das Wechselspiel von Militär, Krieg und Kunst in der frühen Neuzeit“, hg. v. Jutta Nowosadtko u. Matthias Rogg, Münster 2008 ist nicht bildwissenschaftlich-medienhistorisch ausgerichtet, sondern fokussiert auf die verschiedenen Künste und Kunstgattungen; vgl. dazu meine Rezension die in der Zeitschrift „WerkstattGeschichte“ 56 (2011) erscheint.
Emich, Birgit; Signori, Gabriela (Hrsg.): Kriegs/Bilder in Mittelalter und Früher Neuzeit. Beiheft 42 (= Zeitschrift für historische Forschung), Berlin: Duncker & Humblot 2009
ISBN-13: 978-3-428-12944-7, 349 S.
Empfohlene Zitation:
Elke Anna Werner: [Rezension zu:] Emich, Birgit; Signori, Gabriela (Hrsg.): Kriegs/Bilder in Mittelalter und Früher Neuzeit. Beiheft 42 (= Zeitschrift für historische Forschung), Berlin 2009. In: ArtHist.net, 25.05.2011. Letzter Zugriff 27.12.2024. <https://arthist.net/reviews/287>.
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