REV 18.07.2016

Elias H. Füllenbach, Susanne Biber (Hrsg.): Mehr als Schwarz und Weiß

Rezensiert von Yvonne Arras, Tübingen
Redaktion: Livia Cárdenas
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Der Dominikanerorden begeht am 22. Dezember 2016 seinen 800. Geburtstag. An diesem Tag bestätigte Honorius III. im Jahre 1216 mit der Bulle „Religiosam Vitam“ eine Predigergemeinschaft, die von dem im kastilischen Caleruega geborenen Regularkanoniker Dominikus († 1221) zwecks Missionierung der Katharer in Südfrankreich gegründet wurde. Anlass genug für die Dominikaner der deutschen und süddeutsch-österreichischen Provinz, die weltweiten Feierlichkeiten mit einer Jubiläumsausstellung hierzulande zu bereichern und die Facetten des Verbandes der hiesigen Öffentlichkeit zu präsentieren.[1] Unter dem auf die Farben des Habits anspielenden Motto „Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden“ geschieht dies gegenwärtig und noch bis zum 15. August 2016 im ehemaligen Dominikanerkloster St. Blasius in Regensburg.[2] Bei der hier zu besprechenden gleichnamigen Publikation handelt es sich um den Begleitband zu dieser Ausstellung.

Das opulent, mit rund 100 teils ganzseitigen Farb- und s/w-Abbildungen ausgestattete Buch versammelt 20 Einzelbeiträge, verfasst von eminenten Kennern der Materie. Ein Geleitwort des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, eine vom Herausgeber Elias H. Füllenbach, Susanne Biber und Hermann Reidel verfasste Einleitung, sowie Quellen-, Literatur- und Bildnachweise vervollständigen den Band.

Die Beiträge sind – ohne dies etwa durch Einteilung in Sektionen mit entsprechenden Überschriften kenntlich zu machen – in vier Blöcke gegliedert. Innerhalb dieser sind die Beiträge im Wesentlichen chronologisch geordnet.

Der erste Block beginnt mit Paul D. Hellmeiers Darlegung der Gründung des Ordens durch Dominikus von Caleruega. Gert Melville stellt sich anschließend die Frage, was das Innovative dieser neuen Predigergemeinschaft war, das ihr „im Spektrum der mittelalterlichen Ordenswelt auch aus heutiger kritischer Sicht eine einmalige Stellung“ verschaffte (S. 29) – sein Beitrag bewegt sich somit im Rahmen der Institutionalisierungsproblematik, der sich Melville schon oft zugewandt hat. Jörg Oberste betrachtet sodann die Art und Weise, wie sich die Dominikaner in das städtische Milieu des Mittelalters integriert haben und greift damit ein Kerninteresse der historischen Forschung auf. Einzelnen, in Mittelalter und Früher Neuzeit virulenten, in gewisser Weise auch populären Themen, nämlich der Rolle der Dominikaner als Inquisitoren, im Zusammenhang mit dem „Hexen“-Problem und der Reformation, widmen sich Wolfram Hoyer, Peter Segl und Klaus-Bernward Springer. Hervorzuheben ist dabei Peter Segls instruktive Ergründung der Mechanismen von Inquisition und „Hexenverfolgung“ (u.a. S. 113) – beides Aspekte, mit welchen die Dominikaner vor allem in der breiten Öffentlichkeit assoziiert werden. Ein vom Herausgeber Elias H. Füllenbach beigesteuerter Abriss der Ordensgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert beschließt den ersten Block.

Block zwei fokussiert berühmte Persönlichkeiten und mit ihnen gemeinhin verknüpfte „Glanzzeiten“ des Ordens: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Margareta Ebner und die Mystiker des 14. Jahrhunderts. Dass dabei Albertus Magnus († 1280) gleich zwei Beiträge gewidmet wurden, liegt offenkundig darin begründet, dass er dereinst Bischof von Regensburg war (1260–1262) – dem Ort der gegenwärtigen Jubiläumsausstellung. Und so thematisiert denn auch der von Elias H. Füllenbach verfasste Beitrag das Wirken des gebürtigen Lauingers in Regensburg. Lydia la Dous beleuchtet ferner Alberts naturphilosophisches Interesse. Die weit über den Orden strahlende Bedeutung des Aquinaten bedurfte indes kaum einer eigenen Hervorhebung; deshalb spitzt Ulrich Horst seine konzise Abhandlung auf die Frage zu, was „sich über die Motive des jungen Mannes, Dominikaner zu werden, sagen“ lasse (S. 198). Thomas’ Eltern schwebte nämlich vor, dass ihr jüngster Sohn Abt der Benediktiner von Monte Cassino werden soll, wohin sie ihn als Oblation gegeben hatten. Walter Senner bietet sodann einen mit Albertus Magnus beginnenden Streifzug durch die dominikanische Mystik anhand hervorragender (vor allem Heinrich Seuse und Johannes Tauler), aber auch kontrovers diskutierter Vertreter (Meister Eckart). Die im 14. Jahrhundert im Kloster Maria Medingen bei Dillingen wirkende Margareta Ebner präsentiert Urban Federer dagegen als „Modell“ (S. 232) der Mystikerinnen.

Die spezifisch Regensburger Topographie ist Gegenstand des mit fünf Abhandlungen recht umfangreichen dritten Abschnittes: Der Dominikanerkirche St. Blasius, „eine der ältesten Niederlassungen“ (S. 259) des Ordens in der deutschen Provinz, widmen sich drei Beiträge, so Bernhard Lübbers historischer Abriss, dem ein speziell die Probleme der Reformationszeit thematisierender Aufsatz von Klaus Unterburger folgt und schließlich Sebastian Mikischs bauhistorische Darstellung. Christine Andrä zeichnet daran anschließend die Geschichte der Dominikanerinnen von Hl. Kreuz und Adlersberg kurz nach.

Zuletzt wird in einem vierten Block der Blick über den europäischen Horizont hinaus gerichtet und das Wirken des Ordens „in der Welt“ (S. 331) skizziert. Anna Müller konfrontiert zuerst das dominikanische „Experiment ‚Missionstätigkeit‘“ mit der „Begegnungswelt Islam“ (S. 307). Um Begegnungen mit dem Islam geht es dann auch im Beitrag von Stefan Schröder, hier allerdings anhand der Berichte des Jerusalempilgers Felix Fabri. Abschließend folgt eine Situationsskizze des Ordens in der Gegenwart, verfasst von dem derzeit amtierenden Ordensgeneral Bruno Cadoré.

Überschaut man das Spektrum der Beiträge in zeitlicher, räumlicher und thematischer Hinsicht, so befassen sie sich mehrheitlich mit der mittelalterlichen Situation und dem süddeutschen Raum. Thematisch werden zwar gängige Probleme aufgegriffen, diese aber in profunden Übersichten dargeboten, sodass das Buch auch als eine Art Einführung die Welt des Ordens geeignet ist.

Wie so oft kommen die Dominikanerinnen allerdings deutlich zu kurz. Sie nur unter dem Aspekt der Mystik beziehungsweise vertreten durch die vergleichsweise sehr kurzen Aufsätze über die Regensburger Klöster Hl. Kreuz und Adlersberg zu integrieren, wird ihrer ordensgeschichtlichen Rolle nicht gerecht, kommt diese doch insbesondere im süddeutsch-schweizerisch-österreichischen Raum zum Tragen. Immerhin war dort im Mittelalter mit allein 65 Niederlassungen weltweit die Mehrheit der weiblichen Kommunitäten angesiedelt.

Obwohl – oder womöglich gerade weil – der Band die Ausstellung begleitet, enthält er darüber hinaus keine genuin kunsthistorischen Abhandlungen; die Beiträge sind allerdings mit Abbildungen von entsprechenden Kunstwerken illustriert. Gleichwohl hätte man sich gewünscht, dass das ein oder andere mit dem Orden verknüpfte Problem der Kunstgeschichte diskutiert worden wäre. Angeboten hätten sich beispielsweise der Themenbereich der Mystik und damit die Kontroverse um das Verständnis so genannter „Andachtsbilder“, in welcher noch immer kein Konsens gefunden wurde.

Die Kritik soll den positiven Gesamteindruck aber nicht schmälern. So wird der Band insgesamt seinem Anspruch, „mehr als Schwarz und Weiß“ bieten zu wollen, gerecht.

[1] Ein Veranstaltungskalender findet sich auf der zentralen Homepage des Ordens, URL: http://www.op.org/en/jubilee.
[2] Siehe dazu auch die online verfügbare Broschüre: Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden, 11. Mai bis 15. August, Ausstellung mit Begleitprogramm, hrsg. von den Kunstsammlungen des Bistums Regensburg und des Dominikanerordens (Provinz Teutonia und Süddeutsch-Österreichische Provinz des hl. Albert), o. O. 2016, URL:
http://dominikanerorden.de/relaunch/wp-content/uploads/2015/10/800JahreDominikanerorden.pdf.

Füllenbach, Elias H.; Biber, Susanne (Hrsg.): Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden, Regensburg: Friedrich Pustet Verlag 2016
ISBN-13: 978-3-7917-2757-8, 359 Seiten, EUR 27.70

Empfohlene Zitation:
Yvonne Arras: [Rezension zu:] Füllenbach, Elias H.; Biber, Susanne (Hrsg.): Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden, Regensburg 2016. In: ArtHist.net, 18.07.2016. Letzter Zugriff 19.03.2024. <https://arthist.net/reviews/13507>.

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