Blick zurück nach vorn – Architektur und Stadtplanung in der DDR
5. Tagung des Arbeitskreises Kunst in der DDR
Berlin 6.-7.11.2014
Prof. Dr. Sigrid Hofer, Kunstgeschichtliches Institut, Philipps-Universität Marburg in Kooperation mit PD Dr. Christoph Bernhardt, Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner.
Der Aufbau der DDR als staatspolitisches Gebilde ist begleitet von der Frage nach dem Wiederaufbau, dem Um- und Neubau, der Rekonstruktion aber auch dem Abriss von Bauwerken, die als Zeugen einer überwundenen Geschichtsepoche galten. Dabei spielte die Erbediskussion, die für die bildende Kunst und die Herausbildung des Sozialistischen Realismus maßgeblich war, auch im Umgang mit der Architektur und dem Städtebau eine entscheidende Rolle. Der Blick auf die eigene architekturgeschichtliche Vergangenheit unterlag über die Jahrzehnte deutlichen Interpretationsschwankungen. Pragmatismus, avantgardistisches Experiment, strikte Lenkungsmechanismen, nationale Traditionen, technisch-wissenschaftlich begründete Modernprojekte aber auch Altbausanierungen und Rekonstruktionen selbst von Sakralbauten wechselten sich einerseits ab, überlagerten sich andererseits zeitlich und fanden bei unterschiedlichsten Bauaufgaben Anwendung. Das gesamte Bauschaffen in der DDR ist so von deutlichen Ambivalenzen, von entwicklungsgeschichtlichen Kontinuitäten wie Brüchen gekennzeichnet.
Der Umgang mit dem architektonischen Erbe und das Verhältnis, das das Neue zum Alten einging, stehen im Fokus der 5. Tagung des Arbeitskreises Kunst in der DDR. Welche Rolle wird also dem Rückgriff auf die Überlieferung zugewiesen, und welche ideologischen Implikationen verbanden sich mit den jeweiligen Stillagen? Welche Bezugspunkte schienen zu welchen Zeiten geeignet, den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft voranzutreiben bzw. ihr eine repräsentative Gestalt zu verleihen? Wie änderten sich in diesem Zusammenhang die Vorstellungen von einem manifest gewordenen demokratischen Nationalbewusstsein? Wenn Städte Selbstdarstellungen von Kollektiven sind (A. Mitscherlich), inwiefern spiegelten dann die Entscheidungen für bestimmten Bauweisen den Stand der gesellschaftlichen Entwicklung der DDR wider? Wie stehen andererseits die großräumlichen Planungen zu den Intentionen, eine Volkskultur zu etablieren?
Neben diesen Fragen, die vor allem auf die Objekte und ihren politikgeschichtlichen Kontext zielen, sollen Aspekte der anthropologischen Stadtaneignung zum Tragen kommen. So wird etwa darüber zu sprechen sein, inwiefern der Rückgriff auf bürgerliche Traditionen auch als ein Zugeständnis an die bürgerlichen Bedürfnisse nach Identifikation mit dem eigenen Wohnumfeld verstanden werden kann, ob dies der Abgrenzung von dem Anderen diente und damit notwendiger Bestandteil des individuellen Selbstverständnisses war. Auch der soziale Raum soll auf dem Prüfstand stehen und daraufhin befragt werden, in welcher Weise er auf das individuelle bzw. kollektive Leben einwirkte bzw. welche konkreten Auswirkungen er auf das Lebensgefühl und die Lebensgestaltung in den unterschiedlichen Stadtstrukturen hatte.
PROGRAMM
Donnerstag, 6. November 2014
13.00 Registrierung
14:00 Begrüßung
Sigrid Hofer, Universität Marburg
Christoph Bernhardt, IRS Erkner / CMS der TU Berlin
Sektion 1
Architekturtheoretische Leitlinien I
14:30
Hans-Georg Lippert: Kostbare Vergangenheit – geordnete Zukunft. Die Publikationsstrategie der Deutschen Bauakademie in den 1950er Jahren
Oliver Sukrow: Von eiligen Projektanten und roten Vitruvianern. Bausteine zu einer Architekturtheorie in der DDR der 1960er Jahre
16.00 Kaffeepause
Sektion 2
Architekturtheoretische Leitlinien II
16:30
Kathrin Siebert: Ein Technokrat ohne System. Der Schweizer Architekt Hans Schmidt als Theoretiker des industriellen Bauens in der DDR
Roman Hillmann: Sinnzeichen. Das Zusammenspiel neuer und alter Architektur in der DDR
18:30
Podiumsdiskussion
Bruchkanten zwischen Alt und Neu im Städtebau
Es diskutieren: Prof. Dr. Thomas Topfstedt, Leipzig; Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert, Berlin; Dr. Matthias Lerm, Jena; Dr. Andreas Butter, Erkner; Moderation: PD Dr. Christoph Bernhardt, Erkner
Freitag, 7.11.2014
Sektion 3
Das sozialistische Stadtzentrum
09:30
Christian Klusemann: Die Wettbewerbe zur Zentrumsneugestaltung der „Aufbaustädte“ Magdeburg und Rostock im Herbst 1952
Andreas Kriege-Steffen: Die Planungen zum Wiederaufbau der Stadt Dresden von 1945 bis 1952. Bezugspunkte, Leitbilder, Streitfragen.
11.00 Kaffeepause
Sektion 4
Altbestände zwischen Rekonstruktion und Abriss
11:30
Tanja Scheffler: Die „Chiffre Dresden“ und der ambivalente Umgang mit dem Barock in der Elbestadt
Edda Campen: Kontinuitäten und Brüche. Der „Wohnkomplex Wilhelm-Külz-Straße“ in Potsdam
13:00 Mittagsimbiss
Sektion 5
Zwischen Ideologie und Fachpolitik
14:00
Mark Escherich: Zeitgenössische Denkmale? DDR-Denkmalpflege und Staatsrepräsentation in den 1970er und 80er Jahren
Oliver Werner: Sozialistische Wohnungsbaupolitik für den Hauptstadtausbau. Der Einsatz der Bezirke in den Jahren 1971-1989
15:30 Kaffeepause
Sektion 6
Befragung der Vergangenheit
15:45
Andrew Demshuk: Von J.S. Bach bis Karl Marx: Wiederaufbau in Leipzig und die Suche nach einer verwertbaren Geschichte, 1945-1968
Peter Leonhardt: Das bauliche Erbe des deutschen Kaiserreiches und seine
Aneignung in der DDR
17.15 Abschlussdiskussion
18.00 Ende der Tagung
Wir bitten um Anmeldung bis zum 27.10.2014 bei Petra Geral, geralirs-net.de
oder unter www.irs-net.de/tagung-kunst-ddr/index.php
Tagungsbeitrag
8,00 € (erm. 5,00 €) inkl. Abendempfang und Mittagsimbiss
Quellennachweis:
CONF: Architektur & Stadtplanung in der DDR (Berlin, 6-7 Nov 14). In: ArtHist.net, 25.09.2014. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/8496>.