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Interdependenzen III: Spur der Arbeit. Oberfläche und WerkprozessDritte internationale Tagung des Forschungsprojekts ‚Interdependenzen. Künste und künstlerische Techniken’ des Fachgebiets Kunstgeschichte, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik, TU Berlin
Veranstaltet von Prof. Dr. Magdalena Bushart und Henrike Haug
Donnerstag, 17. Juli bis Samstag, 19. Juni 2014
Im aristotelischen Denken ist ein Werk vor allem das Resultat eines Formtriebs, der auf die Materie einwirkt und sich in ihr verstofflicht. In diesem Sinne entwirft Antonio Maria Venustis noch 1563 in seinem Discorso Generale ein Modell künstlerischen Schaffens, in dem das fertige Werk vollständig vom Entstehungsprozess gelöst verstanden wird. Für Venustis war das fertige Werk, obwohl aus dem Zusammenwirken von Künstler, Materie und Werkzeugen hervorgegangen, ausschließlich materialisierter Gedanke, die Faktoren, die seine Entstehung bedingt hatten, sind im Endprodukt nicht mehr präsent. So langlebig das Idealmodell eines „autonomen“, von allen Entstehungsspuren befreiten Artefakts war (und ist), hat es doch wenig mit der künstlerischen Praxis zu tun.
Es ist vor allem die Oberfläche, die in vielfältiger Weise auf den Werkprozess zurückweist - in Form von (Arbeits-)Spuren, die (vorsätzlich oder unbewusst) im Werk belassen worden sind. Das gilt keinesfalls nur für die Moderne, in der die Oberflächengestaltung wesentliches Moment einer „technique of originality“ (Richard Shiff) geworden ist, sondern auch für die ältere Kunst. Hier wie dort finden sich Spuren der Arbeit, die Aufschlüsse über künstlerische Haltungen und Handlungen geben. Sie können absichtsvoll gesetzt sein, etwa, wenn die Materialität beziehungsweise der mediale Charakter der Werke herausgestellt oder eine spontane Geste und mit ihr ein performativer Akt behauptet wird. In diesen Fällen sollen sie als „Handschrift“ gelesen werden, mit der sich die Urheber in ihr Werk eingeschrieben haben, als Hinweis auf die Prozessualität schöpferischen Tuns, auf die Virtuosität in der Beherrschung der Mittel oder auf spezifische Eigenschaften des Materials (Härte, Formbarkeit, Konsistenz), dem so ein eigener künstlerischer Wert zumessen wird. Sie können aber auch entgegen der Intentionen des Künstlers Auskunft über den Arbeitsprozess geben: so, wenn das Werk unvollendet aufgegeben beziehungsweise die Materialbearbeitung missglückt ist, so, wenn eigentlich alles, was auf den Autor, seine Hand und sein Werkzeug hinweist, getilgt sein sollte, um einen möglichst hohen Grad an Perfektion zu suggerieren. Hier ist insbesondere an komplexe Verfahren zu denken, die mehrere Arbeitsschritte erfordern. Und schließlich können die Spuren absichtsvoll in die Irre führen; in diesem Fall entsprechen die Informationen, die die Oberflächenbehandlung gibt, nicht oder nur bedingt den tatsächlichen Arbeitsschritten.Die unterschiedlichen Ausprägungen materieller Spuren, die auf Werkgenese zurückweisen, sind Thema der dritten Tagung der Reihe „Interdependenzen. Die Künste und ihre Techniken“ am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik/Fachgebiet Kunstgeschichte der TU Berlin. Gefragt werden soll, ob und wie sich in den Oberflächen der Artefakte die Spuren künstlerischen Handelns einschreiben, ob sie vorsätzlich gelegt worden sind, und wenn ja, mit welcher Intention dies geschehen und welches Wahrnehmungs- und Rezeptionsverhalten damit verbunden ist. Thematisiert werden soll auch die Bewertung der Oberflächenbehandlung in Kunsttheorie und -historiographie.
Um das Phänomen ‚Spur der Arbeit’ dabei möglichst umfassend und facettenreich zu thematisieren, ist die Konferenz sowohl epochen- als auch gattungsübergreifend angelegt: Beiträge aus den Bereichen der Malerei, Skulptur und Plastik, der Zeichnung und Graphik wie auch der Architektur sind willkommen.
An der Fragestellung interessierte Forscher und Forscherinnen werden gebeten, eine kurze Skizze eines möglichen Beitrages im Umfang von nicht mehr als 5000 Zeichen zusammen mit einem kurzen CV bis zum 15. Oktober 2013 an Prof. Dr. Magdalena Bushart (magdalena.busharttu-berlin.de) zu senden.------
Interdependencies III: The Traces of Work: Surfaces and Work Processes
Third international conference of the research project “Interdependencies: Arts and Artistic Techniques” at the Art History Department of the Institute of Theory and History of Art and Historical Urban Studies at Technical University Berlin
Organized by Prof. Dr. Magdalena Bushart und Henrike Haug
Thursday, July 17, to Saturday, June 19, 2014
In Aristotelian thought an artwork is above all the result of humankind’s desire to form things, and the material shaped by this drive represents the materialization thereof. Following this notion as late as 1563 in his Discorso Generale, Antonio Maria Venustis still adhered to a model of artistic creation in which the finished artwork was comprehended as completely separate from the process of its creation. According to Venustis, the finished artwork was exclusively the reification of an idea, the contributing factors and the conditions of its creation were no longer present in the final product, even though it was the fruit of interaction between the artist, the material and tools. The ideal notion of an “autonomous” artefact devoid of all traces of the work involved in its making is a persistent one despite the fact that it has little to do with artistic practice in reality.
The various manifestations of the marks on materials resulting from the work process and referencing the genesis of an artwork are the subject of the third conference in the series “Interdependencies: the Arts and Artistic Techniques at the Art History Department of the Institute of Theory and History of Art and Historical Urban Studies at Technical University Berlin. The issues to be explored in the conference are if and how the traces of artistic activity are visible on the surfaces of an artefact, whether they have been made deliberately and, if so, for what purpose and what patterns of perception and reception apply in their case. Additionally contributions to the conference can address the significance art theory and art historiography attribute to the treatment of surfaces.
To address the subject of “the traces of work” as comprehensively as possible and in a multifaceted way the conference is not restricted to a specific period or genre. We welcome papers in the areas of painting, sculpture and three-dimensional art, drawings and prints, and architecture.
If you are a researcher interested in this aspect of art history and in contributing to the conference please email an abstract of not over 5000 characters together with a short CV to Prof. Dr. Magdalena Bushart (magdalena.busharttu-berlin.de) by October 15 2013.
Quellennachweis:
CFP: Spur der Arbeit. Oberfläche und Werkprozess (Berlin, 17-19 Jul 14). In: ArtHist.net, 19.09.2013. Letzter Zugriff 12.05.2025. <https://arthist.net/archive/5962>.