CFP 08.03.2012

Repräsentationspraktiken ethnographischen Wissens (Berlin, 30 Nov-1 Dec 12)

Humboldt Universität zu Berlin und Freie Universität Berlin, 30.11.–01.12.2012
Eingabeschluss : 30.04.2012

Gesellschaft für Ethnographie

Zwischen Objekt, Text, Bild und Performance:
Repräsentationspraktiken ethnographischen Wissens

Call for Papers
Gesellschaft für Ethnographie (GfE) - http://www.gfe-online.org/cms2

Seit jeher werden ethnographische Inhalte neben ihrer akademischen, zumeist an den Text gebundenen Verarbeitung auch für ein breiteres Publikum aufbereitet, inszeniert und in (audio-) visuelle Medien überführt. Museen, Ausstellungen und Festivals setzen neben den Objekten selbst auf Ton- und Film-Features, künstlerische Arbeiten wie Installationen und Performances oder Fotografie für eine öffentlichkeitswirksame Aufarbeitung ethnographischen Wissens. Im Zuge der postmodernen Reflektion über die Autor/innenschaft von Wissen (Clifford/Marcus 1986) und der postkolonialen Kritik an historisch festgelegten Repräsentationsregimen im „Westen“ in Bezug auf den globalen „Rest“ (Hall 1992; Said 1978, 1989) in Wissenschaft und Kunst erfolgte eine breite Debatte über Repräsentationshoheit, -formen, -inhalte und ihre Vermittlungspraktiken. Wie sich der postmoderne Paradigmenwechsel in der Konzeption und Darstellung ethnographischer Forschung anschließend niedergeschlagen hat, haben nachfolgende Tagungen und Veröffentlichungen aufgezeigt (vgl. „after writing culture“, James/Hockey/Dawson 1997). Offen bleibt jedoch, inwieweit Forderungen der postkolonialen Kritik Eingang in die bis dato etablierten sowie neuen Repräsentationspraktiken ethnographischen Wissens gefunden haben.

Rund 25 Jahre nach dem Paradigmenwechsel möchten wir die von postmoderner und postkolonialer Kritik aufgeworfenen Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen sowie Mächtigkeiten und Ohnmächtigkeiten ethnographischer Repräsentationsformen und -praktiken erneut stellen und diese vor dem Hintergrund ihrer Diversifizierung reflektieren. So rückt in der gegenwärtigen globalisierten Welt das Interesse am kulturell Partikularem wieder verstärkt in den Vordergrund sowie dessen Inszenierung in wissensorientierten „Konsumlandschaften“, wie Museen und Galerien, dem Internet, Kino und Fernsehen. Zudem rahmten und beeinflussten in den letzten beiden Jahrzehnten zugleich technologische Entwicklungen verstärkt die Erfassung, Speicherung und Wiedergabe von Informationen sowie die Zugänge, Interaktion und Überlagerung von virtuellen mit real-sozialen Welten (Handykameras, youtube, Internet-Foren). Diese Medien ermöglichten neue Formen und Orte der Repräsentation, die in Bezug auf ihren demokratischeren Zugang sowie ihre subversiven und widerständigen Nutzungsmöglichkeiten hin diskutiert, aber auch auf ihre Konsumption hin untersucht werden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Art der Darstellung, sondern auch auf das Repräsentierte selbst, was wiederum veränderte Rezeptions- und Konsumgewohnheiten zur Folge haben könnte.

Die Tagung der Gesellschaft für Ethnographie vom 30.11. bis 01.12.2012 wird sich ausgehend von diesen Überlegungen mit aktuellen Repräsentationspraktiken ethnographischen Wissens zwischen Objekt, Text, Bild und Performance auseinandersetzen. Wir möchten Referent/innen ansprechen und zum Austausch über folgende übergeordnete Fragen anregen:
- Wie haben sich die (Macht-) Relationen zwischen Dargestellten/m, Darstellenden und Konsument/innen verschoben?
- Welchen Positionierungen werden den Stimmen der Dargestellten dadurch ermöglicht/genommen – sowohl im Sinne einer post-/dekolonialen Einforderung eines „Gehört-Werdens“, aber auch im Sinne neuer - post/moderner - Formen von Exotisierung?
- Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für die Ethnographie selbst?

Ausgangspunkt und Grundlage für die Diskussion dieser Fragen soll die Analyse verschiedener, nicht ausschließlich auf textliche Darstellung konzentrierter Repräsentationsformate und –praktiken sein sowie deren Ästhetik, Handlungs- und Wirkmächtigkeiten:
- Welches sind die mediumspezifischen Eigenheiten der Formate für die Aufbereitung und Inszenierung in/für Museen, Kunstmarkt, Film, Internet etc.?
- Wie finden abgebildete und abzubildende Realitäten zusammen, ergänzen und verändern sich?
- Welche Eigenlogik und Wirkmächtigkeit entfalten die unterschiedlichen Medien bzw. welche werden ihnen in der Repräsentation kultureller Differenz zugesprochen?
- Welche Aussichten bieten die (neuen) Medien für die Abbildung von flexiblen, situativen, interdependenten und heterogenen Lebenswelten?
- Welche globalen und welche lokalen ökonomischen und politischen Einbettungen engen andererseits Freiheiten in der Darstellung ein?
- Welche Rezeptions- und Konsumpraktiken werden vorgegeben, an welchen Ideen und Vorstellungen knüpfen sie an und welche Möglichkeitsräume bieten sie bzw. wie werden sie von diesen beschränkt?

Damit zusammenhängend wollen wir auch fragen, welche Implikationen damit innerhalb ethnographischer Arbeiten verbunden sind für:
- die Bereiche der Erhebung: Welches sind Auswirkungen auf Themenwahl, Fragestellungen, gewählte Erhebungsmethoden, Zugangsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Bedeutungsebenen, Einbindung der Akteur/innen und intendierte Rückwirkungen?
- den Bereich der Auswertung: Was sind die veränderten Analysekriterien und Auswertungsmethoden? An welche Praktiken werden die Forschungsergebnisse zurückgebunden? Welchen Dynamiken und Strategien sind diese bei ihrer Medialisierung und Materialisierung unterworfen?
- die Wahl des Repräsentationsformats: Welche Interaktionen, Auseinandersetzungen und Hinterfragungen sind mit der Formatwahl intendiert? Welche Rolle spielt dieses sowohl für die Bereitstellung innerhalb von beispielsweise neuen Museumsansätzen oder in virtuellen Welten?
- den Bereich der Repräsentationen selbst: Warum wird welche Art der Darstellung gewählt, welche Rezipient/innen bzw. Konsument/innen damit motiviert und welches Konsumverhalten vorausgesetzt? Auf welche Referent/innen und Zusammenhänge dadurch verwiesen und welche Rückwirkungen damit ermöglicht? Welche Imaginationen und Auseinandersetzungen fließen darin ein? Wie verändert(e) sich das potentielle Publikum/Konsument/innen?

Wir freuen uns auf Beiträge, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Abstracts im Umfang von max. 250 Wörtern sowie eine Kurzvita von ca. 100 Wörtern senden Sie bitte bis spätestens 30.04.2012 an: gfe-tagung-2012gfe-online.org

Maria Lidola und Steffen Mayer für die GfE

Quellennachweis:
CFP: Repräsentationspraktiken ethnographischen Wissens (Berlin, 30 Nov-1 Dec 12). In: ArtHist.net, 08.03.2012. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/2874>.

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