CFP 09.02.2016

Textilschenkungen im Mittelalter (Rom, 3-4 Nov 16)

Rom, 03.–04.11.2016
Eingabeschluss : 24.03.2016

Christiane Elster, Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte

[English and Italian versions below]

Textilschenkungen im Mittelalter – Objekte, Akteure, Repräsentationen

Internationale Tagung
organisiert von Christiane Elster, Stephanie Luther, Stefanie Seeberg und Tanja Michalsky

Seitdem die Kunstgeschichte sich stärker der Gesamtheit materieller Kultur und ihren sozialen Kontexten widmet, geraten die angewandten Künste neu in den Blickpunkt des Fachdiskurses. Kulturwissenschaftliche Ansätze wie die material culture studies fragen nach dem Gegenstandscharakter von Artefakten und ihrer Wirkmacht. Daneben werden Objekte als Medien symbolischer Kommunikation untersucht, indem sie als Teil komplexer und performativer Handlungsvollzüge und Rituale beschrieben und gedeutet werden. Textilschenkungen des Mittelalters bieten sich als ein Themenfeld an, um die neuen Fragestellungen und Herangehensweisen für die Kunstgeschichte exemplarisch zu erproben und auszuloten.

Textil- und Kleiderschenkungen sind in der europäischen Vormoderne in unterschiedlichsten Kontexten zu beobachten und erfüllten vielfältige Funktionen. Sie konnten im Zuge von Initiationsriten und Schwellensituationen erfolgen, z.B. bei Investituren und Amtseinsetzungen, Hochzeiten und beim Klostereintritt. Eine karitative Funktion hatten Kleiderschenkungen an Arme, was u.a. in zahlreichen mittelalterlichen Heiligenviten thematisiert wird. Darüber hinaus gelangten kostbare Textilien als herrschaftliche Stiftungen und Geschenke an geistliche Institutionen. Luxuriöse Textilien – wie gemusterte Seidengewebe aus Byzanz – kursierten außerdem im diplomatischen Geschenkverkehr. Kleidergaben wurden aber auch hofintern als (Natural-) Besoldung eingesetzt und dienten der Strukturierung und Hierarchisierung der höfischen Gesellschaft. Textilgeschenke konnten den Schenkenden repräsentieren. Insbesondere bei Kleidern, die der Schenkende bereits getragen hatte, scheint seine körperliche Präsenz gleichsam in die Materialität und Form der verschenkten Gewänder eingeschrieben gewesen zu sein.

Ziel der interdisziplinär ausgerichteten Tagung ist es, die Vielfältigkeit und Polysemie dieser Akte symbolischer Kommunikation innerhalb des übergreifenden Kontextes des mittelalterlichen Gabenwesens zu verorten.
Marcel Mauss zeigte bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, dass das Schenken in gesellschaftlichen Kollektiven soziale Beziehungen stiftet und aus den drei verpflichtenden Elementen Geben, Nehmen und Erwidern besteht (Prinzip der Reziprozität). Dabei geht es wesentlich um die Konstruktion von Macht und sozialen Hierarchien. Obgleich der Ansatz von Mauss schon lange auch in der Mediävistik verwendet wird, wurde kürzlich moniert, dass die besondere, aus ihrer materiellen und visuellen Beschaffenheit resultierende Wirkmacht der Gaben bislang nur unzureichend in die Analyse einbezogen worden sei, die sich, ausgehend von Mauss‘ Modell, vor allem auf die Akteure der Schenkungen und deren Interaktion konzentriert habe. Mit anderen Worten: Die Kontexte des Austausches sind gegenüber den Objekten des Austausches privilegiert worden (Cecily Hilsdale 2012). Hier eröffnet sich jedoch gerade für die Kunstgeschichte als Bild- und Objektwissenschaft eine besondere Chance. Denn es stellt sich die Frage, wie die Dynamiken der Reziprozität und der mit ihr einhergehenden Verpflichtungen jeweils konkret visuell und materiell aufgeladen wurden.

Die Tagung möchte am Beispiel von textilen Gaben der europäischen Vormoderne dieser Frage näher auf den Grund gehen. Die Einbindung anthropologischer Erklärungsmodelle in einen kunsthistorischen Zugang eröffnet die Möglichkeit, die verschenkten Artefakte als eigenständige Größe innerhalb des Schenkvorganges als beziehungsstiftender Kommunikationsform ernst zu nehmen. Damit kann das Verhältnis zwischen den Akteuren und der „agency“ der Geschenke selbst untersucht werden (Bruno Latour).

Erwünscht sind Themenvorschläge aus der Kunstgeschichte und ihren historischen, anthropologischen, archäologischen und literaturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen, insbesondere zu folgenden Fragestellungen:

- Textilschenkungen als Akte symbolischer Kommunikation im Mittelalter:
Willkommen sind Fallbeispiele, die den Schenkungsvorgang und die durch ihn geschaffenen Verpflichtungs- und Schuldverhältnisse zwischen Schenker und Empfänger verdeutlichen und dabei auf die besondere materielle und visuelle Wirkmacht der textilen Gabe eingehen. Zur Betrachtung bieten sich zum Beispiel Schenkungen gebrauchter Kleidungsstücke an, die je nach Schenkungskontext eine besondere Ehrerweisung – hier sind insbesondere die Schenkungen von Herrscher- und Krönungsmänteln an klerikale Einrichtungen zu nennen - oder einen Affront gegenüber dem Empfänger darstellten.

- Methodische Reflexionen zur Anwendbarkeit anthropologischer Erklärungsmodelle auf die mittelalterliche Kunstgeschichte am Beispiel von Textilschenkungen:
Inwiefern können anthropologische Erklärungsmodelle (Gabentheorien des Marcel Mauss und Nachfolge) helfen, Textilschenkungen der Vormoderne zu untersuchen und zu deuten? Dabei wird davon ausgegangen, dass es keine allgemeingültige Gabentheorie gibt, die in der Lage wäre, jeden spezifischen Schenkungsakt in seiner Kontextgebundenheit abschließend zu erklären. Stattdessen stehen – ausgehend von Mauss – eine Vielzahl teils auch kontroverser Ansätze und Beiträge zur Verfügung, die am Beispiel textiler Gaben des Mittelalters zur Debatte gestellt werden können.

- Verhältnis der Textilschenkungen als performative Akte zu ihren Repräsentationen:
Wie wurden Textilschenkungen im Mittelalter in Bild und Schrift dargestellt? In welcher Beziehung stehen diese Repräsentationen in bildlichen und schriftlichen Medien zur materiellen Überlieferung (erhaltene Textilgeschenke) und ihren Kontexten (Schenkungsakte)?

- Geschlechtsspezifische Merkmale von Textilschenkungen:
Waren Textilgeschenke im Mittelalter auch geschlechtsspezifisch besetzt? Lassen sich in den Schenkungspraktiken von Männern und Frauen unterschiedliche Verhaltensmuster beobachten?

- Zweitverwendung und damit verbundene Neukontextualisierung von Textilgeschenken durch die Empfänger:
Die Wertschätzung, Nutzung und Erhaltung mittelalterlicher Textilgeschenke durch die beschenkten Kollektive lassen sich vielfach am Umgang mit den Gaben ablesen, etwa wenn diese restauriert oder umgearbeitet wurden. Wie wurden Textilgeschenke durch die Empfänger gedeutet, genutzt und identitätsbildend instrumentalisiert? Wie gestalteten sich dabei die Beziehungen dieser Institutionen zu den Schenkern der Textilien?

Bei Interesse senden Sie bitte bis zum 24. März 2016 ein Abstract von maximal einer Seite und ein kurzes Curriculum Vitae an Christiane Elster (elsterbiblhertz.it).

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Textile Gifts in the Middle Ages – Objects, Actors, and Representations

International Conference
Organized by Christiane Elster, Stephanie Luther, Stefanie Seeberg and Tanja Michalsky

As art history has given greater attention to material culture and its social contexts as a whole, the applied arts have also re-entered the scope of art historical discourse. Cultural-historical approaches, such as those employed in material culture studies, explore the objectness of artifacts and their efficacy. Related are studies of objects as mediums of symbolic communication, in which such objects are described and interpreted as part of complex performances of ritual and ceremony. Gifts of textiles in the Middle Ages provide a test field for the evaluation of such questions and approaches for the discipline of art history.

Gifts of textiles and clothing appeared in diverse contexts and fulfilled various functions in pre-modern Europe. They could be offered in the course of an initiation rite and or an act of social transition, including upon investiture, marriage, or entry into a monastery. Gifts of clothing to the poor, meanwhile, were among the works of charity thematized in the vitae of numerous medieval saints. Sumptuous textiles were sent as resplendent gifts to religious institutions or, like patterned silk textiles from Byzantium, circulated through diplomatic gift exchanges. Gifts of clothing were also distributed within the court as compensation in kind, which supported the structuralization and hierarchization of courtly society. Gifts of clothing could represent the donor. Especially in the case of clothing previously worn by its donor, the physical presence of the giver might have been woven into the materiality and form of the gifted garment.

The goal of this interdisciplinary conference is to situate the diversity and polysemy of such acts of symbolic communication into the broader context of medieval gift culture.
Already in the 1920s, Marcel Mauss showed that gift giving established social relationships and was composed of three necessary elements: giving, accepting, and reciprocating (the “principle of reciprocity”). At play in such exchanges is essentially the construction of power and social hierarchies. While Mauss’ theory has long been employed within medieval studies, recent criticism has pointed out that the particular efficacy resulting from the material and visual qualities of gifts has not been sufficiently addressed, as studies applying Mauss’ model concentrate primarily on donors, recipients, and their interaction. In other words, the context of the exchange has been privileged over the objects of exchange (Cecily Hilsdale, 2012). With its focus on images and objects, art history is poised to show how the dynamics of reciprocity and its attendant obligations might be charged both visually and materially.

The conference focuses on textile gifts in pre-modern Europe in order to explore such questions in greater detail. The integration of anthropological models into an art historical approach allows for gifted artifacts to be taken seriously as independent entities within the giving process as a socially generative form of communication. The relationship between the actors and the “agency” of gifts themselves can therefore be further explored (Bruno Latour).

We invite paper proposals from the field of art history and related disciplines, such as history, anthropology, archaeology, and literature. Papers might address the following subjects in particular:

- Textile gifts as acts of symbolic communication in the Middle Ages:
Especially welcome are case studies that illustrate the act of giving and the sense of obligation generated between donor and recipient and that, in so doing, attend to the visual and material efficacy of textile gifts. Papers might consider gifts of personal garments, like the gifting of a sovereign’s mantle to an ecclesiastical institution, and the honor—or affront—such gifts might entail.

- Methodological reflections on the suitability of anthropological models for medieval art history
How helpful are anthropological models (Marcel Mauss’ gift theory and its lineage) in understanding and interpreting pre-modern textile gifts? We begin with the premise that no single general theory is capable of explaining every gift act definitively. Rather, a number of approaches originating in Mauss, some of which are controversial, could be debated within the context of medieval textile gifts.

- The relationship of textile gifts as performative acts to their representations
How were medieval textile gifts represented in word and image? What relationship do these representations have to their material prototypes (surviving textile gifts) and their contexts (acts of donation)?

- Gendered aspects of textile gifts
Could textile gifts in the Middle Ages be gender-specific? Can we observe different behavioral patterns in the gifting practices of men and women?

- Re-use and re-contextualization of textile gifts
The appreciation, use, and conservation of medieval textile gifts, including their restoration or alteration, can reveal much about how recipient institutions dealt with their donations. How, for example, did recipients interpret and use textile gifts in the formation of their identities? How did such a process shape the relationship between a recipient institution and its donor?

Proposals for talks should be sent in the form of an abstract (max 1 page) with a brief CV by March, 24th, 2016 to Christiane Elster (elsterbiblhertz.it).

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La donazione di tessuti nel Medioevo – oggetti, protagonisti, rappresentazioni

Convegno internazionale di studi
a cura di Christiane Elster, Stephanie Luther, Stefanie Seeberg e Tanja Michalsky

Grazie a un rinnovato interesse della Storia dell’arte per la cultura materiale e il suo contesto sociale, le arti applicate sono tornate all’attenzione della trattazione specialistica. Se l’approccio di alcune scienze della cultura come i material culture studies si focalizza sul carattere di oggetto dei manufatti e sul loro potere d'azione, questi stessi oggetti sono anche indagati quali mezzi di comunicazione simbolica, interpretati e descritti come parte di pratiche e rituali complessi. Le donazioni di tessuti nel Medioevo offrono un campo d’indagine esemplare per sperimentare nuove metodologie per la Storia dell'arte.

Nell’Europa tardomedievale i doni di tessuto e di vestiario si verificavano nei più diversi contesti (sociali, religiosi, giuridici), assolvendo a molteplici funzioni. Le donazioni avevano luogo a seguito di riti di iniziazione e in momenti di transizione simbolica, quali ad esempio investiture e insediamenti politici, matrimoni e ordinazioni conventuali. Una funzione caritativa aveva poi regalare panni agli indigenti, un elemento molto presente nelle narrazioni agiografiche medievali. Preziosi paramenti entravano in possesso anche degli istituti ecclesiastici, in occasione della fondazione o di successive offerte. Per non parlare dei tessuti lussuosi, come le elaborate stoffe in seta prodotte a Bisanzio, che circolavano nel traffico dei doni diplomatici; e anche nell’ambito cortigiano le vesti potevano essere impiegate come bene retributivo, adempiendo così alla strutturazione e gerarchizzazione della vita di corte. In tutti questi casi, i tessuti donati potevano evocare la presenza simbolica del donatore. Specialmente nel caso della donazione di abiti già indossati, la presenza fisica del donatore pareva inscritta sia nel materiale che nella forma dei vestiti.

Questo convegno interdisciplinare intende esaminare la polisemia e la varietà di tali atti di comunicazione simbolica nel contesto più ampio della cultura del dono nel Medioevo.
Marcel Mauss ha già dimostrato, negli anni venti del Novecento, come il dono supporti le relazioni sociali della collettività sulla base della tripartizione Dare, Ricevere e Ricambiare (Principio della Reciprocità). Si tratta in questo caso soprattutto della costruzione del potere e delle gerarchie sociali. Nonostante il modello di Mauss sia già da tempo impiegato nella medievistica, si è recentemente notato come il peculiare potere d’azione dei doni, risultante dalla loro costituzione materiale e visiva, sia stato trascurato rispetto al ruolo che invece hanno in tali analisi i protagonisti della donazione e l’interazione tra gli stessi. In altre parole: i contesti dello scambio sono stati privilegiati rispetto agli oggetti (Cecily Hilsdale 2012). E tuttavia è proprio qui che si offre una grande possibilità alla Storia dell'arte, al suo essere studio dell’immagine e dell’oggetto: in che modo le dinamiche della reciprocità e gli obblighi ad essa inerenti sono stati di volta in volta investiti di concretezza visiva e materiale?

Il convegno si propone di approfondire questa questione sullo sfondo delle donazioni tessili nell’Europa tardomedievale. L’applicazione di modelli esplicativi di tipo antropologico nell’analisi storico-artistica offre la possibilità di riconoscere da un lato il manufatto oggetto di dono in quanto grandezza a sé all'interno di un processo, dall’altro il processo stesso come forma comunicativa che genera relazioni. In questo modo si può indagare il rapporto tra gli attori della donazione e la “agency” dei doni stessi (Bruno Latour).

Il convegno accoglierà contributi scientifici afferenti alla Storia dell’arte e alle discipline storiche, antropologiche, archeologiche e letterarie, con un particolare riguardo per i seguenti temi:

- Il dono di tessuti come atto di comunicazione simbolica nel Medioevo:
Saranno benvenuti casi di studio che chiariscano il processo della donazione, e il rapporto che ne deriva di obbligazione-debito tra beneficiario e donatore, argomentando il peculiare potere materiale e visuale del dono tessile. A questa indagine ben si prestano ad esempio le donazioni di abiti già indossati, i quali rappresentavano in base al contesto o una speciale reverenza – si pensi ai mantelli regali e signorili donati agli enti ecclesiastici – o addirittura un affronto verso il ricevente.

- L’applicabilità di modelli esplicativi dell’Antropologia alla Storia dell'arte medievale, con riguardo al caso delle donazioni di tessuti:
Fino a che punto modelli esplicativi antropologici (a partire dalla Teoria del dono di Marcel Mauss) possono aiutare nell’interpretazione e nell’'analisi delle donazioni tessili dell’età tardo-medievale? Si vuole qui partire dal fatto che nessuna teoria generalista del dono sarebbe in grado di spiegare esaustivamente ogni singolo atto donativo entro i vincoli del proprio contesto. Sono invece a disposizione una varietà di testi e contributi anche contrastanti che si prestano ad un dibattito sui doni medievali di tessuti.

- Il rapporto tra il dono di tessuti come atto performativo e la sua rappresentazione:
Come sono state rappresentate le offerte di tessuti nella pittura e letteratura medievali? In quale rapporto sono queste rappresentazioni visive e letterarie con la trasmissione materiale del dono (gli oggetti conservati) e con i loro contesti (i diversi atti donativi)?

- Connotazioni di genere nelle donazioni di tessuti:
I regali in tessuto veicolavano, nel Medioevo, connotazioni di genere? Si possono osservare distinti modelli di comportamento tra uomini e donne nelle pratiche del dono?

- Riutilizzo e conseguente ricontestualizzazione dei doni tessili:
La valorizzazione, l’utilizzo e la conservazione dei regali tessili medievali da parte dei gruppi beneficiari sono variamente ricostruibili a partire da tutte le occasioni di manomissione degli stessi, come per esempio durante restauri o rifacimenti. Come venivano questi doni interpretati, impiegati e riconvertiti in strumenti di costruzione identitaria da parte dei loro beneficiari? E come si strutturavano, in conseguenza a ciò, i rapporti tra beneficiario e donatore?

Le proposte di intervento, della lunghezza massima di una pagina, devono essere inviate insieme ad un breve curriculum vitae entro il 24 marzo 2016 a Christiane Elster (elsterbiblhertz.it).

Quellennachweis:
CFP: Textilschenkungen im Mittelalter (Rom, 3-4 Nov 16). In: ArtHist.net, 09.02.2016. Letzter Zugriff 22.12.2024. <https://arthist.net/archive/12191>.

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