Der Achte Tag. Naturbilder in der Kunst des 21. Jahrhunderts
Mit dem Ende der Natur als normativem Referenzrahmen hat sich auch die
künstlerische Auseinandersetzung mit ihr grundlegend gewandelt. In der
Kunst der Gegenwart sind unterschiedliche Tendenzen zu beobachten. Auf
der einen Seite werden die technische Manipulation und kulturelle
Konstruktion der Natur in den Vordergrund gestellt. Kunst reflektiert
hier einen Ansatz, der in der These vom Anthropozän als
erdgeschichtlicher Periode gipfelt, wobei Natur als Ergebnis
menschlicher Arbeit erscheint und der Mensch zuletzt nur noch sich
selbst begegnet. Auf der anderen Seite rufen gerade die
fortschreitende Vernutzung außermenschlicher Lebensräume und die
Verletzlichkeit natürlicher Sphären Bilder der Trauer, des Protests
hervor, die neue Sensibilisierungen anstreben. Die Durchlässigkeit der
Grenzen zwischen Mensch und Tier (human animal) stellt immer wieder
die Frage nach der absoluten Herrschaft kultureller Codes. „Natur“
bietet aber auch noch immer Residuen der Alterität, der Indifferenz
und der „Sinnlosigkeit“, durch die Kunst gegenüber der totalen
Dominanz von Wirtschaft und Wissenschaft Autonomie gewinnt.
Unsere zweitägige Konferenz stellt exemplarisch Tendenzen
gegenwärtiger Arbeit mit dem und am Natürlichen in der jüngsten Kunst
vor. Jenseits der Fixierung auf den menschlichen Körper als
Schnittstelle von Natur und Kultur geht es uns um Ansätze, bei denen
die außermenschliche Natur zum Hauptthema wird. Die nun auch in der
historischen Debatte angekommene, zentrale Bedeutung des Materials
(material turn) nicht nur in der modernen Kunst erlaubt etwa, die
traditionelle künstlerische Kritik an der Dichotomie von lebendig und
tot mit neueren naturphilosophischen Debatten zu verbinden (vibrant
matter). Die Verheißungen der synthetischen Biologie (bio-engineering)
werden durch Arbeiten im Bereich der Bio-Art überhöht und zugleich
gebrochen. Die zeitgenössische Fotografie steht jenseits der
Digitalisierung noch immer in der historischen Kontinuität eines
Mediums, in dem sich Natur scheinbar selbst zeigt. Im Zeichen der
sozialen Entgrenzung der Künste ist eine neue Konjunktur des Gartens
zu beobachten, in der sich traditionelle harmonistische Konnotationen
auflösen. Kunst, Architektur und Design produzieren artifizielle
„Atmosphären“. Während Videogames Imaginationen einer nie gesehenen
Natur entfalten, entwickelt der Film Formeln einer sublimen Natur
fort. – Unsere Tagung möchte in exemplarischer Auffächerungen
Positionen zeitgenössischer Kunst reflektieren, in denen Natur – noch
immer – ein Thema ist.
Nature” am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg. Die
von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderte Forschergruppe
widmet sich der Kunst- und Bildgeschichte der Natur, mit einem
Schwerpunkt in der europäischen Frühen Neuzeit. Im Zentrum stehen
Strukturmerkmale des Natürlichen und deren Imitation, Emulation und
Transformation in den Künsten (Lebendigkeit, Kräfte/Intensitäten,
Form/Komposition, Materie/Material, etc.). Bilder der Natur
modellieren dabei ein Naturbild, das sich im Lauf der Frühen Neuzeit
tiefgreifend wandelt, während ältere Vorstellungen einer selbst
bedeutungsvolle Bilder generierenden Natur fortwirken. Die
Forschungsstelle versteht sich als Plattform für den Dialog zwischen
der Geschichte von Kunst, Naturwissenschaft, Naturphilosophie und
Technik.
Tagungskonzept: Frank Fehrenbach und Matthias Krüger
Tagungsorganisation: Sue Ryall (Geschäftsstelle „Naturbilder / Imagesof Nature“) naturbilderuni-hamburg.de; Tel. +49 40 42838-8130
Programm:
Freitag 31.1.2014
15:00 Frank Fehrenbach (Hamburg): Begrüßung
15:15 Tue Greenfort (Berlin): Art and other Ecological Scales
16:00 Kata Krasznahorkai (Hamburg/Berlin): Kein Land in Sicht.
Klimawandel, der BND und das Ende der Land Art
16:45 Kaffeepause
17:15 Sabine Bartelsheim (Berlin): Zwischen Gartenkunst,
Landschaftsdesign und Klimawandel. Pflanzen in der Kunst des 21.
Jahrhunderts
18:00 Pause
18:15 Monika Wagner (Hamburg): “In Zeiten wie diesen sind Gärtner die
einzigen, die echten Künstler”
Samstag 1.2.
10:15 Dieter Mersch (Zürich): Zufall, Materialität und das Reale.
'Natur' im Spiegel künstlerischer Praktiken
11:00 Matthias Krüger (München/Hamburg): Atmosphären im Anthropozän
11:45 Kaffeepause
12:15 Felix Hoffmann (Berlin): Fotografie und Natur – Eine Bilderwelt
zwischen Dokument und Kunst
13:00 Mittagspause
15:00 Jens Hauser (Paris): Atomismus des Organischen. Biomedien in der
Medienkunst
15:45 Friedrich Weltzien (Hannover): Postdigitale Ursuppe: Herwig
Weisers “Lucid Phantom Messenger” in der Tradition der “Biologique
Synthetique”
16:30 Kaffeepause
17:00 Petra Lange-Berndt (London): Swarming Fever. Die Kunst der
Taxidermie
17:45 Pause
18:00 Hartmut Böhme (Berlin): Natur – Leben - Kunst
Quellennachweis:
CONF: Naturbilder in der Kunst des 21. Jh. (Hamburg, 31 Jan-1 Feb 14). In: ArtHist.net, 14.01.2014. Letzter Zugriff 25.04.2024. <https://arthist.net/archive/6761>.