CONF 17.05.2022

Neue Erzählformen in dynamischen Bildtechnologien (Kiel, 9-11 Jun 22)

Kiel, 09.–11.06.2022

Maike Schulken

Symposion „Neue Erzählformen in dynamischen Bildtechnologien – Formprobleme zwischen Populärkommunikation und autonomer Kunst“

Eine Veranstaltung des Forums für Interdisziplinäre Studien und der Forschungsgruppe Bewegtbildwissenschaft Kiel/Münster.

Prof. Dr. Norbert M. Schmitz/ Prof. Dr. Lars C. Grabbe/ Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse.

Kesselhaus Muthesius Kunsthochschule/ Senatssaal der FH Kiel

Programm:

Donnerstag, 9. Juni 2022
Kesselhaus, Muthesius Kunsthochschule, Kiel

17.00 Uhr Eröffnung durch den Präsidenten der Muthesius Kunsthochschule Dr. Arne Zerbst

17.30 Uhr Lars C. Grabbe / Patrick Rupert-Kruse / Norbert M. Schmitz : Einführung und Überblick

18.00 – 19.00 Uhr Barbara Kaesbohrer :
Erzählen ohne Handlung – Raum als Zeit
Aus der Perspektive der Medienkunst nähert sich dieser Beitrag der Frage an, welchen Einfluss Modifikationen von Zeit und Raum im intermedialen Bewegtbild auf Formen des Erzählens nehmen. Dabei werden zunächst Werkbeispiele aus Videokunst und Game
Art näher betrachtet, deren experimentelle Manipulationen von Spielfilmen bzw. Computerspielen zur Auflösung der ursprünglichen Erzählstrukturen führen. Denn sowohl die Videokunst, die mit Hilfe der damals neuen Video-Technik Raum-Zeit-Bezüglichkeiten infrage stellte, als auch die Game Art, die Raum, Zeit und interaktive Handlung von Computerspielen dekonstruiert, sind geeignete Medienkunstformen, um die Korrelationen von Zeit, Raum und Erzählung im Bewegtbild exemplarisch darzustellen.

Dr. Barbara Kaesbohrer, Professorin für Zeitbasierte Kunst an der Universität Osnabrück. Kunstwissenschaftlerin und Szenografin. Lehrtätigkeiten an der Universität Osnabrück seit 2011: Künstlerischpraktische Lehre im Bereich Experimenteller Film / Video, Digitale Animation und Performance. Forschungsschwerpunkte: Geschichte Zeitbasierter Kunstformen, Medienund Kunsttheorie, Betrachtungsmethoden zeitbasierter Kunst.

ab 19.15 Uhr Vorstellung der VR-Arbeiten von Studierenden der Muthesius Kunsthochschule mit Prof.in Dr. Sandra Schramke
Ort : Muthesius Kunsthochschule

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Freitag, 10. Juni 2022
Kesselhaus, Muthesius Kunsthochschule

9.30 – 10.30 Uhr Lars C. Grabbe :
Kontagierte Bildphänomene. Zum Problem des leiblichen Spürens in virtuellen und augmentierten Bildmedien

Das digitale Bild im Kontext von VR und AR ist eine hybride Konstellation, welche unterschiedliche DisplayTechnologien, Handlungsmöglichkeiten und innesadressierungen miteinander in Beziehung setzt. Dem › Bildhaften ‹ in VR und AR kann demnach kein klassisches Bildverständnis zu Grunde liegen, sondern vielmehr greift hier ein Aspekt der Prozeduralität : denn diese digi talen Bilder sind kontinuierlicher Effekt technologischer Verarbeitungszustände. Diese prozeduralen Zustände analytisch zu markieren und ihre territorialen Grenzen offenzulegen wird jedoch genau dann weitergehend erschwert, wenn sich die rezeptiven Freiheitsgrade der › Handlung mit dem Bild ‹ erweitern und die Bilder selbst über physikalische und technisch hergestellte Stimuli verfügen. Der Vortrag möchte unterschiedliche Ausprägungen des leiblichen Spürens kennzeichnen und darüber eine mögliche Differenzierung › kontagierter Bildstrukturen ‹ vornehmen. Das wahrnehmungstheoretische Feld von VR, AR und Mixed Reality soll dabei im Kontext physikalischer und digitaler Durchdringung gedacht und präsentiert werden.

Dr. Lars C. Grabbe, Dekan und Professor für Theorie der Wahrnehmung, Kommunikation und Medien an der MSD – Münster School of Design der FH Münster. Philosoph und Medientheoretiker. Methodische Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Medientheorie, Ästhetik und Wahrnehmungs- sowie Rezeptionsforschung.

10.45 – 11.45 Uhr Norbert M. Schmitz :
Probleme dreidimensionaler Bilderzählung

Technische und darstellungstechnische Innovationen führten in der Mediengeschichte fast immer zu gewaltigen Veränderungen der formalen Konventionen auch der bildenden Kunst. Erst im komplexen Dispositiv industrieller Massenkommunikation entwickelte sich die konventionelle Form des Classical Style als standardisierte Form dynamischer Bild narration. Nicht anders stellt sich die aktuelle Revolution dreidimensionaler dynamischer Bildwelten dar. Der Vortrag fragt nach den Potenzialen und Problemen der technischen Neuerungen für die Standards gesellschaftlicher
Kommunikation.

Dr. Norbert M. Schmitz, Professor für Ästhetik an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel. Kunst- und Medienwissenschaftler. Methodische Arbeiten zu Fragen der Intermedialität von bildender Kunst und Film, Ikonologie der alten und neuen Medien, Diskursgeschichte der Kunstwissenschaft, des Kunstsystems und der Medientheorie, Methodik der modernen Bildwissenschaft; Sachliche Schwerpunkte: Klassische Filmgeschichte, Avantgardefilm und Kulturgeschichte der Moderne.

11.45 – 14.15 Uhr Mittagspause und Wechsel zum Senatssaal
der Fachhochschule Kiel, Sokratesplatz 2, 24149 Kiel, Raum 7.09

14.15 – 15.15 Uhr Ulrich Meurer :
Orpheus-Effekt – Über die politische Unordnung der Sinne im Medialen

Verglichen mit dem Kino und herkömmlichen Bildschirm medien, zielt die hohe Dichte sensorischer Daten in virtual reality environments auf den möglichst umfassenden Transfer unseres Sinnesapparats in einen medialisierten Raum. Ihre weitreichende Aneignung der Wahrnehmung erlaubt es zugleich, den partiell von der physischen Wirklichkeit entbundenen Sinnen neue Funktionen zuzuweisen: Nicht nur gerät das Sehen (wie der Blick des mythischen Sängers Orpheus) zum aktiven Eingriff in die Umgebung, wenn der Computer auf die Ausrichtung der Augen mit einer ständigen Umordnung des visuellen Feldes reagiert. Darüber hinaus kann er uns mit einem vollends überarbeiteten Spektrum an Wahrnehmungen konfrontieren, etwa indem er auf das Fokussieren von Objekten mit deren Verschwimmen, mit Klängen oder taktilen Reizen antwortet – Perzeptionsmuster, die gegen alle Alltagserfahrung ungekannte Welten herstellen. Ihr womöglich politisches Potenzial bestünde darin, gewohnte Subjektpositionen zu irritieren, sie am Ende gar aufzulösen, um ein im wörtlichen Sinne utopisches Terrain zu entwerfen, das dem Ich unsichere, minoritäre, alternative Sichten auf ein › Anderes ‹ gewährt.

Dr. Ulrich Meurer, Gastprofessor an der Visual Studies Platform und im Programm › Culture, Politics and Society ‹ der Central European University Wien. Forschungs- und Lehrtätigkeiten u. a. an den Universitäten Wien, Düsseldorf, Bochum und Princeton. Arbeiten im Bereich der Film- und Medienphilosophie, zur Historiographie und Archäologie von (Bild)Medien sowie zu Relationen zwischen analoger /digitaler Audiovisualität und politischer Theorie.

15.30 – 16.30 Uhr Alexander Press :
Augmented Reality als Rezeptionskompetenz?

Der Beitrag soll anhand von Beispielen aus einem Spektrum von populären Narrationen bis zu autonomer Kunst die Funktionsweisen der Konzepte » Virtualität «, » Interaktivität « und » Narration « untersuchen. Um die Annahme darlegen zu können, dass die Idee einer » Erweiterten Realität « älter ist als ihre aktuelle technische Umsetzung, sollen sowohl digitale, narrative Kunstwerke in den Blick genommen werden, als auch solche, die diesen Bildund Narrationsbegriff problematisieren. Auf diesem Wege soll versucht
werden, ein AR-Verständnis zu skizzieren, das sich, vergleichbar zur Narration, als kognitive Leistung der Rezipient*innen beschreiben lässt. Die Konzepte der Virtualität, der Interaktivität und der Ortsspezifik weisen große Schnittmengen mit den Begriffen Raum, Körper und Empathie auf. Daher soll die These geprüft werden, ob ein rezeptionsästhetisch ausgerichteter Begriff der Augmented Reality für narrative / künstlerische Kontexte formuliert werden kann. So können zeitgenössische künstlerische Strategien in diesem Feld adäquater beschrieben und untersucht werden.

Dr. Alexander Press, Lektor für Kunst- und Filmwissenschaften am Institut für Kunstwissenschaft, Filmwissenschaft und Kunstpädagogik, Universität Bremen. Forschungsschwerpunkte : Medienkulturen des digitalen Bildes, zeitgenössische Kunst und Ästhetische Theorie, Bildwissenschaft, Funktionsweisen des Comics.

16.45 – 17.45 Uhr Patrick Rupert-Kruse :
Space + Body = Story : Narra-Topologie synthetischer Realitäten

Die emergierenden Räume synthetischer Realitäten formieren innerhalb immersiver Medientechnologien als konkrete Räume, deren topologische Struktur vor allem als Möglichkeit und Grenze für die Bewegungen und Handlungen der Nutzenden verstanden werden muss. Damit adressieren sie die körperliche Performanz der Nutzenden, indem sie Kinästhesien bzw. Propriozeptionen sowohl fordern als auch zuallererst ermöglichen. Der Vortrag zielt daher auf ein Verständnis immersiven Erzählens innerhalb der dynamischen Bildformen immersiver Medien über Konzepte wie
Propriozeption und Verkörperung sowie Kontextualisierung und semantische Räume.

Dr. Patrick Rupert-Kruse, seit 2014 Inhaber der Professur für Medientheorie und Immersionsforschung am Fachbereich Medien der Fachhochschule Kiel; Leiter des Instituts für immersive Medien (ifim) und des Interdisziplinären Labors für Immersionsforschung : Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind die Theorie und Konzeption immersiver Medien, Medienrezeptionsforschung sowie Transmedia Storytelling.

18.00 – 19.00 Uhr Sebastian R. Richter :
Der subjektive Blick – Zu kulturphilosophischen Einordnung von Virtueller Realität und Bewegung

Die grundlegende Frage meines Beitrags lautet: Welche Bedeutung hat Bewegung in der Virtuellen Realität? Diese stammt aus der phänomenologischen Erkenntnis, dass sich in zeitgenössischen VR-Produktionen der subjektive Blick zugunsten einer subjektiven Bewegung auflöst. Alle Geschehnisse dieser Bewegung zentrieren sich zwar um den eigenen Blick und die eigene Perspektive. Allerdings ist dieser mit der (virtuell) körperlichen Beschreitung des Raumes nicht denkbar. Im Film forderte erst die bewegte Kamera und das Bewegungsbild durch die Montage, also dem Wechselspiel zwischen subjektiven und objektiven Blick, seinen philosophischen Wert ein. Gibt es Montageformen und Zwischenräume oder macht aufgrund der Auflösung des Offs eine Theorie des Blicks überhaupt noch Sinn? Was bedeutet die Zentralperspektive für die Virtuelle Realität? Wie konstruiert es Subjektivität und wie löst es sie auf? Zudem stellt sich die Frage, inwiefern eine Theorie des Blicks mit dem Betreten und Beschreiten eines Raumes obsolet wird. Inwiefern wird die voyeuristische Perspektive von einer illusionären abgelöst?

Sebastian R. Richter, M. A. Der freie Regisseur, Dramaturg und Kulturphilosoph studierte Medienphilosophie und Musikwissenschaft in Mainz, sowie Musiktheaterregie in Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Medienästhetik, -theorie und -philosophie, audiovisuelle Raum/Zeitkonzepte und Transmediales Erzählen / Erleben.

19.15 Uhr Vorstellung immersiver Technologien der FH Kiel
Interdisziplinäres Labor für Immersionsforschung
Grenzstraße 3, Raum 3.05, 24149 Kiel

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Samstag, 11. Juni 2022
Kesselhaus, Muthesius Kunsthochschule

9.30 – 10.30 Uhr Jens Schröter :
Zur Geschichte und Ästhetik des holographischen Kinos

Spätestens seit der geradezu surreal anmutenden Auferstehung ABBAs in Form von » Hologrammen « ist der Begriff der Holographie wieder allseits bekannt. Dabei handelt es es sich bei den » Abbataren « mitnichten um Holographie, sondern um hyperrealistische Computergrafik, die durch Motion Capture gesteuert und per Videorückprojektion (vergleichbar mit den » Phantasmagorien « des 19. Jahrhunderts) auf die Bühne gebracht wird. Ein wirklich holographisches Kino erzeugt ganz neue ästhetische, narrative und rezeptive Herausforderungen. In einer wirklich dreidimensionalen Szene (nicht pseudo3D, wie im bekannten stereoskopischen Kino) kann es zu Verdeckungen kommen, die je nach Zuschauerplatz unterschiedlich viel Information freigeben. Wie geht man narrativ damit um? Und generell: Eine wirklich dreidimensionale Präsentation macht einen fixierten Zuschauerplatz, wie im Kinodispositiv, tendenziell sinnlos etc.

Dr. phil. habil. Jens Schröter, ist seit April 2015 Inhaber des Lehrstuhls » Medienkulturwissenschaft« (W3) an der Universität Bonn. Von 2008 – 2015 Professor für»Theorie und Praxis multimedialer Systeme « (W2) an der Universität Siegen. Ab 2022 Leiter (zusammen mit Anna Echterhölter, Andreas Sudmann und Alexander
Waibel) des Forschungsprojekts » How is Artificial Intelligence Changing Science? «

10.45 – 11.45 Uhr Katarina Andjelkovic :
Exploring architecture with image technologies: From narrative film to VR and AR narrative structures

Contemporary applications of image technologies are not only computer vision, but include 3D environment modeling, reconstruction and documentation of architectural buildings, experimental architecture, human tracking and video representation. This also presents opportunities directly related to representational capacities and spatial experience in architecture, and how architectural ideas can be challenged through image technologies. This presentation brings the latest image technologies and narrative
studies into the spatial realm of architecture with the aim to extend the general idea of experiencing, representing and communicating architectural ideas from the screen to the immersive environments. Given that the potentials of narratives studies – in relation to media like narrative films, VR and AR environments – are a new field of inquiry, this presentation explores how the new narrative contexts expand the field of representational media through which architecture can be practiced in the future.

Katarina Andjelkovic, Ph. D., M. Arch. Eng., is a theorist, practicing architect, researcher and painter. In the spring semester 2021, Katarina was the main instructor of the handdrawing course » The Face[S] of Architecture « in New York City. She served as a visiting professor at universities in Oklahoma (U.S.A.), Oslo and Belgrade.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Quellennachweis:
CONF: Neue Erzählformen in dynamischen Bildtechnologien (Kiel, 9-11 Jun 22). In: ArtHist.net, 17.05.2022. Letzter Zugriff 28.03.2024. <https://arthist.net/archive/36719>.

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