ANN 19.09.2001

Verkaeufe aus Sammlg. Hohenlohe-Schillingsfuerst

Klaus Graf

Wieder wird mit einer Auktion eine gewachsene Schloss-Ausstattung
zerstreut und ein Kulturdenkmal zerstoert.

"Die Familie der Prinzen zu Hohenlohe-Schillingsfürst [...] trennt sich
von Teilen ihrer äußerst dekorativen Sammlung. Christie's Amsterdam
versteigert am 25. September die 265 Lose umfassende Kollektion, die
seit 1970 die Räume des an der Donau gelegenen Barockschlosses
Baumgarten zierte, einst landwirtschaftliches Gut des nahegelegenen
Stifts Göttweig", notiert die FAZ 15.9.2001, S. 58 und macht auch auf
die Familienportraets der Grafen von Lambach und zwei praechtige
kaiserliche Adelsdiplome von 1724 und 1795 aufmerksam.

Christie's Suchmaschine wirft zu Lamberg 21 Stuecke aus, darunter eine
Reihe qualitaetvoller Familienportraets, zurueckreichend bis in die Zeit
um 1600 (Lot 245). Einige weitere Adelsportraets (z.B. Wildenstein) sind
ebenfalls bemerkenswert. Ein Stueck ist durch eine Inschrift Johann
Philipp Kardinal zu Lamberg zuzuweisen, der Bischof von Passau war (Nr.
145).

Es handelt sich bei den Ausstattungsteilen Lamberg'scher Provenienz um
unersetzliche Geschichtsquellen zu dieser ochbedeutsamen
oesterreichischen Adelsfamilie [1] aus dem Bereich der Sachkultur, deren
geschlossene Erhaltung im oeffentlichen Interesse gelegen haette [2].

Hingewiesen sei auf die methodisch noch nicht reflektierte Frage, wer
fuer die kulturelle Hinterlassenschaft einer so weitverzweigten
Adelsfamilie ideell zustaendig ist: Bundeslaender, Kommunen, Stiftungen,
Geschichtsvereine usw.
Es spricht vieles dafuer, dass die beste Loesung
bei einer adeligen Sammlung die geschlossene Bewahrung an ihrem letzten
Verbringungsort darstellt bzw. durch eine oeffentliche Institution
(Museum) in der Naehe. Ein europaeische gesinnter Kulturgutschutz
muesste darauf dringen, dass die finanziellen Lasten der Erhaltung auf
die Staaten/Laender/Institutionen/Initiativen verteilt werden, mit deren
Geschichte die Sammlung verflochten ist.

Dies gilt auch fuer ein der Forschung bislang offenbar voellig
unbekanntes spaetmittelalterliches Bildzeugnis, das fuer die
Erinnerungskultur und das Geschichtsbewusstsein deutscher patrizischer
Familien am Ausgang des Mittelalters von unschaetzbarem Wert ist. Das
Votivbild derer von Wolfstal steht im Zusammenhang mit den Versuchen
dieser Aufsteigerfamilie, die sich in Augsburg, vor allem aber in
Nuernberg zu etablieren versuchte, sich ein adeliges Herkommen zu
verschaffen. Ich habe die bemerkenswerte Traditionsbildung der Wolf, die
sich seit ca. 1500 nach einem angeblichen Burgsitz Wolfstal bei
Schwaebisch Gmuend nannten, 1984 dargestellt [3].

Das Votivbild zeigt - soweit die Abbildung bei Christie's Aussagen
ermoeglicht - in drei Reihen 48 Personen (knieende Maenner und Frauen)
des Geschlechts mit ihren Wappen. An zehnter Stelle erkenne ich eine
Kanne im Schild, was auf eine in das 14. Jahrhundert gehoerende
Eheverbindung Wolf-Kaennlin (von Cannstatt) verweisen duerfte, die in
der von Martin Crusius ueberlieferten "Adelsbescheinigung" des Gmuender
Rats fuer die Wolf aus dem Seelbuch des Franziskanerklosters angefuehrt
wird ("Fraw Anna von Kanstat"). Oswald Gabelkover traf um 1600 im
Kreuzgang des Gmuender Franziskanerklosters eine mit Wappen verzierte
Tafel "darinn memoria deren vom Tal" an, die ebenfalls diese
Eheverbindung bezeugte (Gabelkover notierte die Wappengleichheit zu den
Schilling von Cannstatt, die ebenfalls eine Kanne fuehren) [4]. Diese
verlorene Tafel duerfte ein Seitenstueck zu dem nun aufgetauchten
Votivbild gewesen sein, mit dem die Wolf gleichfalls ihren adeligen
Ursprung unter Beweis zu stellen versuchten.

Bislang war von den Nuernberger Wolf von Wolfstal nur das Epitaph des
Heinrich Wolf um 1500 im Germanischen Nationalmuseum bekannt gewesen.
[5]

Ich appelliere an das GNM, das Votivbild als unersetzliche
Geschichtsquelle und herausragendes sozial- und kulturgeschichtliches
Dokument mit Nuernberger Bezug unbedingt fuer den deutschen Kulturbesitz
zu sichern und bitte gleichzeitig darum, dass alles darangesetzt wird,
wenigstens die Inschriften auf dem Votivbild und dieses selbst
fotografisch fuer die Forschung zu dokumentieren.

Klaus Graf, Univ. Freiburg

[1] Kurzinformation zu Lamberg, Adelsfamilie:
http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.l/l046666.htm

[2] Zum unzureichenden Ensemble-Schutz von Schloss-Ausstattungen vgl.
Klaus Graf, Vom Winde verweht: Schloßausstattungen von Ludwigslust
(Mecklenburg) und Niederstotzingen (Ostwürttemberg), Kunstchronik 52
(1999), S. 521-525. - Online-Informationen zu diesem Beitrag:
http://www.dhm.de/~roehrig/mailarchive/demuseum/arc7/msg00828.html
http://www.dhm.de/~roehrig/mailarchive/demuseum/arc7/msg00827.html

Dokumentation zu Kulturgutverlusten insbesondere im Bereich von
Adelsbibliotheken:
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut

[3] Klaus Graf, Gmünder Chroniken im 16. Jahrhundert, Schwäbisch Gmünd
1984, S. 132-135. Zur Sozialgeschichte der Wolf v. Wolfstal schrieb auch
Heinz Noflatscher, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 55
(1995), S. 11f.

[4] WLB Stuttgart, Cod. hist. oct. 16d, S. 541f.

[5] Katalog Martin Luther und die Reformation in Deutschland, 1983, Nr.
69.

ANHANG:

http://www.christies.com

The Collection of
the Princely Family zu Hohenlohe-Schillingsfuerst
Location: Amsterdam
Sale Date: Sep 25, 2001
Lot Number: 24
Sale Number: 2520
Creator: German School, circa 1480
Lot Title:
Commemorative votive painting of the Wolff von Wolfstahl family of
Franconia
Estimate:
3,600 - 5,500 Euros
pen, indian ink, watercolour and bodycolour on joined paper
70 x 102 cm.

Quellennachweis:
ANN: Verkaeufe aus Sammlg. Hohenlohe-Schillingsfuerst. In: ArtHist.net, 19.09.2001. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/24646>.

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