ANN 21.10.2019

Ringvorlesung "Kunst und Umwelt" (Berlin, 22 Oct 19 – 11 Feb 20)

Freie Universität Berlin, Hörsaal 1b, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, 22.10.2019–11.02.2020

André Rottmann

Ringvorlesung "Kunst und Umwelt. Räume, Orte, Systeme"

Eine Veranstaltung des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften, Arbeitsbereich „Neueste Kunstgeschichte“ am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin

Kontakt: Prof. Dr. Eric C.H. de Bruyn, Dr. André Rottmann: arbeitsbereich-debruyngeschkult.fu-berlin.de

Seit den sechziger Jahren haben zeitgenössische Kunstpraktiken sich zunehmend über die Umstände ihrer Produktion und Rezeption definiert: Von der minimalistischen Skulptur und so genannten „Land Art“ über Ortspezifik und „institutioneller Kritik“ bis hin zur Installationskunst und „relationalen Ästhetik“, wurde das Kunstwerk nicht länger als geschlossene Form und autonomes Objekt verstanden, sondern erschien auf ein erweitertes Kräftefeld hin geöffnet. Seither sind ästhetische Erfahrung und Reflektion stets auf die architektonischen, landschaftlichen, sozialen oder ökonomischen Sphären der Kunst verwiesen. In Reaktion auf diese veränderte Bedingung hat die Kunstgeschichte– in einem anhaltenden interdisziplinären Dialog – Begriffe wie Ort, Kontext, Situation, Milieu, Umwelt, System, Feld, Netzwerk und „Environment“ entwickelt bzw. in die eigene Methodik integriert.

Vor diesem Hintergrund geht die geplante Ringvorlesung von der Beobachtung aus, dass die universitäre Auseinandersetzung mit aktueller Kunst sich über Fachgrenzen hinweg derzeit mit einer neuen Herausforderung konfrontiert sieht. Das Verhältnis von Kunst zu den „Milieus“ ihrer Entstehung und Wahrnehmung ist dabei, sich radikal zu wandeln: Viel beachtete Werke von Künstler_innen wie Pierre Huyghe, Natascha Sadr Haghighian, Hans Haacke, Cyprien Gaillard, Rosemarie Trockel/Carsten Höller, Pawel Althamer, Adrian Villar Rojas, Otolith Group, Kristina Buch, Petrit Halilaj und anderen gehen über die bisherigen Weisen, die Rahmenbedingungen von Kunst sichtbar zu machen insofern weit hinaus, als sie komplette Öko-Systeme installieren. Ästhetische Formen, natürliche Materialien oder Lebewesen, technologische Apparate und kulturelle Diskurse gehen eine bis dato ungekannte Verbindung ein.

Mit diesem „ecological turn“ ist weniger die explizite Auseinandersetzung mit Naturschutz oder Nachhaltigkeit als die Erschaffung von (scheinbar) autopoietischen Verflechtungen von menschlichen und nicht-menschlichen, biotischen und abiotischen Akteuren bezeichnet. Als Umgebungen mit artifiziellen wie organischen, medialen wie biologischen Anteilen werfen aktuelle künstlerische Arbeiten sodann nicht zuletzt die Frage danach auf, inwiefern selbst vorgeblich „natürliche“ bzw. unmittelbare Arten der Erfahrung und Interaktion inzwischen untrennbar mit jener Rationalität „verschaltet“ sind, die sich dem angewandten Kalkül von Algorithmen verdankt. Kunst kreiert und adressiert nicht nur Kontexte, sondern ganze Umwelten. Aus Sicht jüngerer medientheoretischer und wissenschaftshistorischer Forschungsdebatten sind es eben solche Umwelten – in denen natürliche und technologische Elemente fortwährend interagieren –, die das zeitgenössische Leben insgesamt prägen. Anstatt diese Vorstellungen einer „allgemeinen Ökologie“ aber lediglich zu illustrieren oder reproduzieren, so die Annahme der Vortragsreihe, begegnet zeitgenössische Kunst ihnen mit der spezifischen Materialität und konkreten Objekthaftigkeit ihrer Erscheinungsformen und Verfahrensweisen.

Die Ringvorlesung des Wintersemesters 2019/20 – die Vorträge international renommierter Wissenschaftler_innen und Künstler_innen umfasst – bringt historische und theoretische Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen und Wissensfelder zusammen. In der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und Ästhetik sollen die drängenden Fragen nach den Möglichkeiten von Erkenntnis und Orientierung in den hochtechnologischen Umwelten der Gegenwart beleuchtet werden.


Programm

22.10.2019 Dr. Luke Skrebowski (The University of Manchester)
Pierre Huyghe and Ecosystems Aesthetics in the Capitalocene

29.10.2019 Dr. Sven Lütticken (Vrije Universiteit Amsterdam)
Voice of the Beehive: Modern and Contemporary Social Insects

12.11.2019 Prof. Dr. Erich Hörl (Leuphana Universität Lüneburg)
Kritik der Environmentalität. Über den neuen Vereinnahmungsapparat unter Bedingungen umweltlicher Medien

19.11.2019 Prof. Dr. Florian Sprenger (Goethe Universität Frankfurt am Main)
Figuren der Schließung: Kreise und Kreisläufe in der Wissensgeschichte der Ökologie

26.11.2019 Prof. Dr. Felicity D. Scott (Columbia University, New York)
Project One

03.12.2019 Prof. Dr. Lucia Allais (Columbia University, New York)
Museums also Die: Climates of Modernism in the Tropical Post-Colony, 1960-1975

10.12.2019 Prof. Natascha Sadr Haghighian (Hochschule für Künste Bremen)
Künstlerinnenvortrag

21.01.2020 Dr. André Rottmann (Freie Universität Berlin)
The Optical Nonconscious: Kunst und ihre Umgebungen

28.01.2020 Prof. Dr. Simon Baier (Universität Basel)
Die Kunst des Klimas

04.02.2020 Prof. Dr. Kerstin Stakemeier (Akademie der Bildenden Künste Nürnberg)
Umgekippte Umwelten: Über die gegenwärtigen Degenerationen liberaler Kunst

11.02.2020 Prof. Dr. Eric C. H. de Bruyn (Freie Universität Berlin)
“Crystal Souls”; or, the Aesthetic Lifeforms of Modernity

Quellennachweis:
ANN: Ringvorlesung "Kunst und Umwelt" (Berlin, 22 Oct 19 – 11 Feb 20). In: ArtHist.net, 21.10.2019. Letzter Zugriff 25.04.2024. <https://arthist.net/archive/21874>.

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