CONF 26.09.2019

Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung (Dresden, 13-15 Nov 19)

Deutsches Hygiene-Museum Dresden, 13.–15.11.2019
Anmeldeschluss: 05.11.2019

Dr. Antje Junghanß
Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung“ – Jahrestagung 2019

Körper-Kränkungen. Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung

Die Tagung will das invektive Potential des menschlichen Körpers aus historischer, gegenwartsbezogener und systematisch-konzeptueller Perspektive untersuchen. Dabei bilden Suggestion und Manipulationskraft von Körperbildern und -idealen einen zentralen Gegenstand der Diskussion. Zwar erweist sich die Vorstellung von einer natürlichen Identität des menschlichen Körpers zunehmend als Illusion. Natürlichkeit oder Geschlecht haben als identitätsstiftende Konzepte ihre Bedeutung angesichts der Einsicht in die Möglichkeiten technischer oder diskursiver Überformung verloren. Selbst die Leitdifferenz von Mensch vs. Maschine erscheint heute ungeeignet, das Spezifische des Humanen zu bestimmen. Trotzdem bleibt der Körper Bezugspunkt und Ausdruck individueller wie kollektiver Identitäsvorstellungen. Er findet sich immer schon eingebunden in Formen des Sozialen und markiert von politischen Zuschreibungen. Der Körper ist sowohl Produzent als auch Empfänger von Zeichen und unterliegt physischen wie symbolischen Handlungen. In dieser Funktion aber ist er an-greifbar oder kann zum Aggressor werden. Zugleich erscheint er als Schnittstelle normativer Setzungen der Gesellschaft – und dies als Subjekt wie als Objekt.
Jeder menschliche Körper birgt invektives Potential, kann er doch selbst schmähend aktiv werden oder Erniedrigungen erleiden, was von affektiven Reaktionen begleitet werden kann. Dabei zeigen sich invektive Körpermechanismen in zweierlei Hinsicht: erstens als Spielart der Ermächtigung, die in die Körperautonomie des anderen physisch eingreift oder den eigenen Körper zur Schmähung einsetzt; zweitens als symbolische Erniedrigung, die den anderen über vorgegebene Normen herabwürdigt, denen er angeblich nicht entspricht – wobei diese Normen wiederum nur ein Effekt voraufgegangener Invektiven sein können.
Mit der Körperrhetorik können Grenzen und Verbote formuliert oder Ausgrenzungen über Körpermetaphern angestrebt werden. Mit invektiven Prozessen können Eskalationsdynamiken einhergehen bis hin zur körperlichen Gewalt. Schmähgesten können neben der Ausgrenzung auch der Gruppenbildung dienen. Im Rahmen symbolischer Herabsetzung sind es oft Tiervergleiche oder Semantiken von Reinheit, Fruchtbarkeit und Gesundheit, mit denen Prozesse der Marginalisierung realisiert werden. Körperpolitik steht dabei nicht selten im Verbund mit Idealen und Normen, die den Grad von Abweichung überhaupt erst erfahrbar werden lassen. Körperideale definieren sich durch einen hohen Konformitätsdruck, der Prozesse von Selbsthass und -ekel auslösen kann.

PROGRAMM

Mittwoch, 13. November

14:00 Ankommen mit Kaffee
14:30 Begrüßung: Gerd Schwerhoff (Dresden)

Sektion I: Der deviante Körper (Leitung: Torsten König, Dresden)
15:00 – 17:00

Vortrag: Jan Meister (Bern)
„Schönes Material zum Scherzen“? Körperliche Besonderheiten in römischen Invektiven

Vortrag: Martin Przybilski (Trier)
Autoinvektiven. Der Streit um die Vorhaut in jüdisch-christlicher Polemik

Respondenz: Uwe Israel (Dresden)

17:00 Kaffee

Sektion II: Körper und Geschlecht (Leitung: Sonja Engel, Dresden)
17:30 – 19:30

Vortrag: Katja Kanzler (Leipzig/Dresden)
Die invektive Produktion gegenderter Körper im Makeover Television

Vortrag: Bettina Uppenkamp (Hamburg)
Vom Kampfgeist der Vulva in der Kunst seit den 1960er Jahren

Respondenz: Andreas Beyer (Basel)

Donnerstag, 14. November

Sektion III: Affekte und Affizierbarkeit des Körpers (Leitung: Dennis Pausch, Dresden)
9:00 – 11:00

Vortrag: Kerstin Andermann (Lüneburg/Dresden)
Affektivität/Invektivität. Die Affizierbarkeit des Körpers als Bedingung von Herabsetzung

Vortrag: Jonas Bens (Berlin)
Die Sentimentalisierung von Menschen und Dingen: Die Zerstörung der Mausoleen von Timbuktu vor dem Internationalen Strafgerichtshof

Respondenz: Dagmar Ellerbrock (Dresden)

11:00 Kaffee

Sektion IV: Körper-Metaphern (Leitung: Marius Kraus, Dresden)
11:30 – 13:30

Vortrag: Christian Jaser (Berlin)
Verflucht von Kopf bis Fuß – zur körperlichen Gewaltsemantik mittelalterlicher Exkommunikationsrituale

Vortrag: Albrecht Dröse/Antje Sablotny (Dresden)
„corpus corruptum“ und „ecclesia corrupta“: Die Herabsetzung des symbolisches Körpers von Heiligen und Kirche in den reformatorischen Auseinandersetzungen

Respondenz: Johannes Helmrath (Berlin)

13:30 Imbiss

Sektion V: Der pathologisierte Körper (Leitung: Anna Häusler, Dresden)
15:00 – 17:00

Vortrag: Heiner Fangerau (Düsseldorf)
Symptom, Deutung und Krankheitszeichen: Stigmatisierung durch Diagnosen

Vortrag: Nina Mackert (Leipzig)
Fat Shaming. Körperfett und soziale Ordnung im 20. Jahrhundert

Respondenz: Heike Greschke (Dresden)

17:00 Kaffee

19:00 Öffentlicher Abendvortrag (Leitung: Jürgen Müller, Dresden)

Hartmut Böhme (Berlin)
Verwerfung, Schändung, Kränkung des Körpers. Kulturelle Figurationen des Invektiven

Freitag, 15. November

Sektion VI: Heroen und Anti-Heroen – Luther als Exempel (Leitung: Alexander Kästner, Dresden)
9:00 – 11:30

Vortrag: Marina Münkler (Dresden)
Luthers Körper in der antireformatorischen Polemik

Vortrag: Jürgen Müller (Dresden)
Blumenfürze und Schmeißfliegen. Zwei neuentdeckte Luther-Satiren

Vortrag: Lyndal Roper (Oxford)
Cranach‘s Luther

Respondenz: Thomas Kaufmann (Göttingen)

11:30 Kaffee

Sektion VII: Der Körper der Mächtigen (Leitung: Lea Hagedorn, Dresden)
12:00 – 14:00

Vortrag: Silke Fehlemann (Dresden)
Die zwei Körper des Reichspräsidenten. Körper und Invektivität in der Weimarer Republik

Vortrag: Kerstin Schankweiler (Dresden)
Körperbilder/Bildkörper herabsetzen. Formeln des Schmähens von Machthabern in aktuellen Protestbewegungen

Respondenz: Elisabeth Tiller (Dresden)

Quellennachweis:
CONF: Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung (Dresden, 13-15 Nov 19). In: ArtHist.net, 26.09.2019. Letzter Zugriff 24.04.2024. <https://arthist.net/archive/21651>.

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