Experiment Buch um 1500 – Spielräume für Künstler
Im Zentrum des VII. Wiener Buchmalereikolloquiums steht die Frage nach der Rolle von Künstlern in der europäischen Buchproduktion (Handschriften und Drucken) um 1500. Am Ende des 15. Jahrhunderts waren die Standards des modernen Buches (Titelblatt, graphische Abbildungen, Impressum) im Druck gesetzt, ohne die Herstellung von Handschriften einzudämmen. Weder die Erfindung des Buchdrucks noch die zunehmende Etablierung des gedruckten Buchs um 1500 waren radikale Wendepunkte. Vielmehr entstanden im Kontext des steigenden Bedarfs, der immens wachsenden Produktion und dem Ausbau des europaweiten Vertriebs neben neuen Formen der Serienproduktion auch hochindividuell gestaltete Bücher mit experimentellem Charakter.
Verlage, Buchführer, Auftraggeber mit besonderen Ansprüchen, Schreiber, Setzer und Künstler handelten die Möglichkeiten dessen aus, was ein Buch sein kann – zwischen der Bewahrung angemessener Traditionen und den neuen Gegebenheiten und Möglichkeiten anpassender Erneuerung – sowohl regional unterschiedlich als auch im Transfer zwischen den europäischen Zentren und unterschiedlichen Bildmedien (Buchmalerei, Graphik, Zeichnung, Tafelmalerei). Ein wesentlicher Faktor dieses Austauschs war die Mobilität von Künstlern, Auftraggebern und Objekten durch den Handel, klösterliche und humanistische Netzwerke oder die Reichweite höfischer Aufträge. Während einige Innovationen den Standard vorbereiteten, wurden andere kreative Erfindungen und Experimente vorläufig oder dauerhaft aufgegeben.
Das kunsthistorische Kolloquium ist eine Kooperation zwischen dem Forschungszentrum für Buchmalerei „Otto Pächt-Archiv“ am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (Dr. Armand Tif, Dr. Caroline Zöhl) und der Abteilung Buch- und Schriftwesen an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Dr. Maria Theisen) auf der Basis von vier in Wien angesiedelten Forschungsprojekten zur mitteleuropäischen Buchmalerei der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das Ziel der Tagung ist der internationale Austausch zwischen Forschern unterschiedlicher Institutionen und Forschungskulturen über vielfältige Perspektiven auf das Thema.
Tagungsprogramm:
FREITAG, 27. SEPTEMBER
9:00–9:30 Anmeldung, Kaffee
9:30–10:00 Maria Theisen, Armand Tif, Caroline Zöhl
10:00–11:00 KÜNSTLERMOBILITÄT ZWISCHEN DEN GATTUNGEN
Mara Hofmann (London), Paintings in Manuscripts and Illuminations on Panel - a selection of interesting case studies around 1500
Susanne Rischpler (Bamberg), War Friedrich Pacher ein Buchmaler?
Eine Spurensuche in Südtirol
KAFFEEPAUSE
11:30–13:00 MÄZENAT IN HANDSCHRIFT UND DRUCK
Beatrice Alai (Florenz), Printing in Ferrara at the Court of Ercole D’Este: The Beinecke Officium (Ferrara, De Rubeis, 1492)
Edina Zsupán (Budapest), Das neue Medium in der königlichen Bibliothek: Matthias Corvinus’ Thuróczy-Chronik
Marina Bernasconi Reusser (Fribourg), Berner Antiphonare
– ein Projekt als Sprungbrett von Künstlerkarrieren
MITTAGSPAUSE
14:30–15:30 IKONOGRAPHISCHE HERAUSFORDERUNGEN – URKUNDEN UND EINBLATT
Dominique Vanwijnsberghe (Brüssel), “Ad limina Beati Jacobi”.
The Cartulary of the St James Hospital in Tournai
Martin Roland (Wien), Der Einzelzettel als Labor für das Schöne Vielfältige Experimente in der „kleinen Form“
KAFFEEPAUSE
16:00–17:00 IKONOGRAPHISCHE HERAUSFORDERUNGEN – HUMANISTISCHE PROGRAMME
Carmen Rob-Santer (Wien), Effecimus ut etiam illiterati ex imaginibus [...] legere atque accipere possint comica argumenta. Die visuellen Kommentare der Terenz-Inkunabeln oder: Wie illustriert man ein Drama?
Armand Tif (Wien), Humanistische Buchillustration zwischen Leipzig, Nürnberg und Wien
SAMSTAG, 28. SEPTEMBER
9:30–11:00 INNOVATION UND TRADITION
Laura Nuvoloni (London), Innovation and continuity:
The Fifteenth-century European Book as an object carefully designed to balance tradition and evolution
Christine Seidel (Madrid), Form follows Function: the origins of
border cycles in the books of hours from the Colombe workshop
Jan Dienstbier (Prag), Marginal Decoration of Kuttenberg Graduals
KAFFEEPAUSE
11:30–13:00 INNOVATION DURCH TRANSFER
Francesca Manzari (Rom), Work in progress: appreciation and adaptation of a Lombard Book of Hours in early sixteenth century Spain
Josefina Planas (Lleida), Female spirituality through an unknown
Catalan book of hours illuminated around 1500
Regina Cermann (Wien), Weiße Flecken in der Kunstlandschaft
Über einen unbekannten Mainzer Buchmaler und dessen stilistische Genese
MITTAGSPAUSE
14:30–16:00 BUCHMALER UND VERLAGSWESEN
Eric White (Princeton), Flourished ca. 1460: The Remarkable Career
of an Anonymous Strasbourg Rubricator
Caroline Zöhl (Wien), Artists involved in printing endeavors.
Anonymous evidence and documented names.
Ina Nettekoven (Bonn/Basel), “Black Art” of Colourful Enhancement: Workflow and Organisation in Parisian Book Workshops
KAFFEEPAUSE
16:30–17:30 STUNDENBUCH – KRISE ODER ERNEUERUNG?
Roger Wieck (New York), The Briconnet Hours: A Masterpiece Reconsidered
Eberhard König (Paris), Stundenbuch in der Krise: Das sogenannte Prayer Book der Claude de France in New York zwischen Talisman und Girdle Book
17:30–18:00 ABSCHLUSS
Die Anmeldung zum Kolloquium erfolgt über die Website der Veranstaltung:
https://buch1500.univie.ac.at/anmeldung-experiment-buch/
Quellennachweis:
CONF: Experiment Buch um 1500 – Spielräume für Künstler (Wien, 27-28 Sep 19). In: ArtHist.net, 06.09.2019. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/21474>.