CFP 04.02.2019

Stil und Staat / Style and State (Wien, 28-29 Nov 19)

Wien / Vienna, Österreichische Akademie der Wissenschaften / Austrian Academy of Sciences, IKM, 28.–29.11.2019
Eingabeschluss : 15.03.2019

Richard Kurdiovsky, Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

(for the English version see below)

Stil und Staat. Öffentliche Gebäude im Vormärz vom Klassizismus bis zu frühen Formen des Historismus (Wien, 28.–29. November 2019)

(Abteilung Kunstgeschichte des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien)

Deadline: 15. März 2019

Im Lauf des Vormärz, deutlich verspätet gegenüber den Entwicklungen in Westeuropa (allen voran in London und Paris), entstanden in Wien, der Hauptstadt des Kaisertums Österreich, Entwürfe und Neubauten für öffentliche Gebäude in bis dato unbekanntem Ausmaß. Sie sollten verschiedene Aufgaben und Bedürfnisse erfüllen, für die sich der Staat nun zuständig sah. Die Bandbreite der Bauaufgaben umfasste Hochschulen einschließlich Bibliotheken, Bauten für das Bank- und Finanzwesen, für den Handel und das Wirtschaftsleben sowie Amtsgebäude für staatliche und militärische Institutionen einschließlich Regierungsgebäuden und Justizanstalten.
Diese Bauten konnten von staatlicher Seite gezielt geplant und verwirklicht werden, weil zentrale staatliche Behörden für die Berufsausbildung und die Kontrolle bestanden bzw. eingerichtet wurden: Für Wien beispielsweise geschah das in Gestalt der von Pietro Nobile geleiteten Architekturschule an der Akademie der bildenden Künste, die dem Staat als zentrale Ausbildungsstätte und Kunstbehörde zur Verfügung stand, und in Gestalt des Hofbaurats, dem Nobile ebenfalls angehörte, als Kontrollgremium für staatliche Baumaßnahmen. Im Spannungsfeld von „Architektur als Machtdarstellung“ und „Architektur als Kommunikationsmittel“ (Philipp 2015) waren diese Neubauten in der Lage, eine ausdrucksfähige Gestalt zu bekommen, die im Sinn der Charakterlehre ihre Funktionen und Bestimmungen klar ablesen ließ.
Im Vormärz konnten sich eigens errichtete öffentliche Gebäude mit staatlichen Funktionen als bauliche Manifestation der Organe des Staates präsentieren und weitere inhaltliche Aussagen transportieren sowie „als gesellschaftsformendes Instrument“ (Philipp 2006) fungieren: Öffentliche Architektur (bzw. der dafür verwendete Stil des Klassizismus) konnte gemeinschafts- und identitätsstiftende Qualitäten besitzen, wie sie etwa in Washington im Sinn von national kodierter Staatsarchitektur bereits seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erprobt wurden. Ähnliche Eigenschaften besaßen etwa Projekte für Mailand im Einfluss französischer Kulturpolitik unter Napoleon I. (Foro Bonaparte oder Arco del Sempione). In Wien wurde Pietro Nobiles Äußeres Burgtor laut Joseph Hormayr „durch das Militär, nach Römerweise vollendet“, das heißt: unter Einschluss aller damit verknüpften Tugendvorstellungen als Monument des Sieges über die (durch das revolutionäre Frankreich und Napoleon hervorgerufene) Unordnung errichtet. Die Organisation des staatlichen Bauwesens unter der Leitung Friedrich Weinbrenners erlaubte eine Architekturproduktion, die sich als „badischer Staatsbaustil“ interpretieren lässt.
Von Wien als Bezugspunkt ausgehend soll gefragt werden: Welche Stile wurden europaweit im Vormärz für welche Bauaufgabe gewählt und welche Aussagen dadurch ermöglicht? Wo und unter welchen Bedingungen (auch in Hinblick auf die Rolle der Kunstakademien und der behördlichen Organisationsformen) wurden Raum- und Baupolitik zu einem Instrument der Staats- und Nationenbildung beziehungsweise der Herrschaftssicherung? Konnte beispielsweise eine Architekturpolitik des Nation-Building im selben Atemzug auch die kontinuierliche Dominanz einer dynastischen Herrschaft ausdrücken wie im Fall des Hauses Habsburg ihre politisch notwendige supranationale Haltung (Franz II./I. als „Vater seiner Völker“)? Haben also die angenommenen politischen Konnotationen bzw. Codierungen mit Hilfe von Stilen, wie sie etwa für Washington beschrieben wurden, auch Gültigkeit für politische Systeme wie die habsburgische Monarchie, also für gesellschaftlich und politisch sehr anders gelagerte Konstellationen?
Die Konferenz möchte Beiträge versammeln, die anhand von Fallstudien und unter Einbeziehung des zeitaktuellen Diskurses die vielfältige Rolle klassizistischer Architektur einschließlich ihrer frühhistoristischen Weiterentwicklungen in Bezug auf folgende Themen untersuchen: 1) Stil und (Bau-)Motiv als Bedeutungsträger, 2) zu erfüllende Bauaufgaben (sowohl profane als auch sakrale), 3) Repräsentation von Herrschaftsstrukturen. Der geographische Fokus soll in komparatistischer und kontextualisierender Absicht die mitteleuropäischen Grenzen des Kaisertums Österreich bewusst überschreiten. Die Frage nach den Wechselwirkungen und der angenommenen Vorbildfunktion der zeitlich früher einsetzenden Entwicklungen in Westeuropa soll dabei den Hintergrund bilden.

Wir bitten um Abstracts in der Länge von maximal 500 Wörtern für Vorträge, deren Länge mit 20 Minuten festgesetzt ist, einschließlich eines kurzen Curriculum vitae mit Angaben zu Ihren wichtigsten Publikationen (in einer maximalen Gesamtlänge von 2 Seiten) bis spätestens 15. März 2019.
Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch

Philipp 2006
Klaus Jan Philipp, Rückgriff und Auswahl. Klassik und Romantik als komplementäres System in der Baukunst, in: Andreas Beyer (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland 6: Klassik und Romantik, München-Berlin-London-New York 2006, 207–223.
Philipp 2015
Klaus Jan Philipp, Weinbrenner und der Klassizismus in Deutschland, in: Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus, Ausstellungskatalog Karlsruhe 2015, Petersberg 2015, 51–59.

-------------------------English version-----------------------------------

Style and State. Public Buildings in the Pre-March Era from Neo-Classicism to Early Historicism (Vienna, 28th–29th November 2019)
(Division for History of Art of the Institute for History of Art and Musicology of the Austrian Academy of Sciences, Vienna)

Deadline: 15th March 2019

In the course of the pre-March era, the planning and construction of public buildings in Vienna, the capital of the Austrian Empire, took place to an extent hitherto unknown yet significantly later than elsewhere in Western Europe (especially London and Paris). These buildings served tasks and needs for which the state now felt responsible. The range of buildings types included universities and libraries, buildings for banking and finance, for trade and commerce as well as official buildings for public and military authorities such as administrative buildings and law courts.
The public agencies, which planned and realized these buildings either existed already or had been established recently as central organs of education and control. In Vienna, the Academy of Fine Arts, with its architectural school lead by Pietro Nobile, acted as the central educational institute of the monarchy and as the authority in any question of the arts. The Hofbaurat, of which Nobile was also a member, was the supervisory body for the state’s building measures. Between the poles of “architecture as a representation of power” and “architecture as a means of communication” (Philipp 2015), these new constructions could adopt a meaningful shape in the sense of Charakterlehre (the discourse on character in architecture) by clearly expressing a building’s function and purpose.
In the pre-March era, public buildings could serve as an edificial manifestation of government bodies. As “instruments capable of shaping society” (Philipp 2006) they could convey further statements: public architecture (and Neo-classicism respectively as the applied style) could serve community and identity building, as was the case in Washington where nationally encoded public buildings were erected from the late 18th century onwards. Projects for Milan (Foro Bonaparte or Arco del Sempione) show similar qualities during the period in which that city was under the influence of French cultural policy in the era of Napoleon I. In Vienna, the historian Joseph Hormayr described Nobile’s Äußeres Burgtor as “completed by the army following the ancient Roman manner”, i.e. comprising all associated conceptions of virtue which turned the city gate into a monument of victory over disorder, as provoked by revolutionary France and Napoleon. The organization of public architecture under Friedrich Weinbrenner enabled constructions, which we can stylistically interpret as typical for public architecture in Baden.
Taking the city of Vienna as the point of reference, the question is therefore: Which styles were chosen for which building types in pre-March Europe and which political points were thus rendered possible? Where and under which circumstances did spatial and construction policy become an instrument for state and nation building and for the safeguarding of power? Could the architectural policy of nation building simultaneously express the continuity of monarchical authority – as in the politically inevitable case of the supranational position of the Habsburg dynasty (Francis II/I as the “father of his peoples”)? Do these supposed political connotations and encodings, which apply questions of style, as described in the case of Washington, hold true for political systems like the Habsburg monarchy, i.e. for socially and politically divergent configurations?
The conference seeks to collect contributions which investigate the multifaceted role of neo-classical and early historicist architecture on the basis of case studies and by including the coeval discourse. The topics of the contributions should relate to the following issues: 1. style and (architectural) motif as signifier (Bedeutungsträger); 2. building types (both profane and sacral); 3. representing structures of power. As for the geographical focus, we are aiming at a comparative and contextualizing view and therefore explicitly intend to exceed the Central European borders of the Habsburg Empire. The question of interaction with and the model function of the developments in Western Europe, which began significantly earlier, serves as a background for the conference.

We are asking for abstracts of up to 500 words for presentations, which should not exceed the length of 20 minutes. Please attach a CV with references to your most important publications (in a maximum length of 1 page). The deadline for submissions is 15th March 2019. Please send your submissions to: Richard.kurdiovskyoeaw.ac.at.
Conference languages will be English and German.

Philipp 2006
Klaus J. Philipp, Rückgriff und Auswahl. Klassik und Romantik als komplementäres System in der Baukunst, in: Andreas Beyer (ed.), Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland 6: Klassik und Romantik, Munich-Berlin-London-New York 2006, 207–223.

Philipp 2015
Klaus J. Philipp, Weinbrenner und der Klassizismus in Deutschland, in: Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus, exhibition catalogue Karlsruhe 2015, Petersberg 2015, 51–59.

Quellennachweis:
CFP: Stil und Staat / Style and State (Wien, 28-29 Nov 19). In: ArtHist.net, 04.02.2019. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/20093>.

^