CFP 05.02.2018

Gegen\Dokumentation (Bochum, 08-10 Nov 18)

Bochum, 08.–10.11.2018
Eingabeschluss : 15.04.2018

Janou Feikens

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GEGEN\DOKUMENTATION
Internationale Tagung
08. - 10. November 2018
Ruhr-Universität Bochum

Das Gegendokumentarische ist eine Antwort auf die Provokation des Dokumen-tarischen. Diese Provokation liegt im Anspruch oder Begehren, ‚Wirklichkeit‘ zu erfassen, darzustellen und zu kontrollieren. Interventionen dagegen gibt es, seit es das Dokumentarische gibt. Für uns markiert der Begriff des Gegendokumentarischen einen strategischen Einsatz, mit dem antithetisch das Verständnis dokumentarischer Medien, Operationen, Institutionen, Poetiken, Ästhetiken, Schreib- und Darstellungsweisen geschärft und politisiert werden soll. Was das Gegendokumentarische in diesen Kontexten jeweils sein kann oder sein soll, muss ausgehend von wissenschaftlichen und künstlerischen Positionen diskutiert werden.
Die Autorität des Dokumentarischen greift wirklichkeitskonstituierend in die Konflikt-felder von Identität, Politik und Geschichte ein und betrifft damit Fragen von Geschlecht und Nationalität wie auch Rassismus und Propaganda. Jede Dokumentation erzeugt dabei ein Außen oder ein Anderes. Mit Hilfe des Gegendokumentarischen werden verschiedene Aspekte dieses antagonistischen Moments beschreibbar.

1. Das Gegendokumentarische umfasst Versuche, anders zu dokumentieren.
Unter dem Gegendokumentarischen können Praktiken subsumiert werden, die sich als Alternativen zu etablierten Formen der Wirklichkeitserfassung begreifen. Im Zentrum stehen dabei Aneignung, Modifikation und Umwertung dokumentarischer Verfahren (z.B. counter-surveillance, hacking, Montage-/Assemblagetechniken). Dazu zählen auch dezidiert spekulative oder fiktionalisierende Methoden, die den Geltungsbereich des Dokumentarischen erweitern (z.B. Reenactment, Mockumentary, performing docu-mentaries).

2. Das Gegendokumentarische umfasst Versuche, Anderes zu dokumentieren.
Es widmet sich Gruppen, Gegenständen, Perspektiven, die von hegemonialen Institutionen vernachlässigt und ausgeschlossen werden. Dabei wird die Autorität des Dokumentarischen genutzt, um einer offiziellen Version eine andere Wahrheit entgegenzusetzen. Gegendokumentarische Strategien werden von widerstreitenden gesellschaftlichen Kräften gleichermaßen medienpolitisch in Anspruch genommen. Vokabular und Verfahren werden in diesen Auseinandersetzungen angeeignet und umfunktioniert. Dadurch wird mitunter das emanzipative Potential der Gegendokumentation in Frage gestellt. Begriffe wie Wahrheit, Aufklärung, Authentizität werden aktuell kontrovers unter Stichworten wie fake news, alternative facts oder counter-documentary diskutiert.

3. Das Gegendokumentarische verweist auf eine andere Rahmung.
Die Versuche, anders und Anderes zu dokumentieren, erfordern eine Auseinandersetzung mit den institutionellen und medialen Rahmenbedingungen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den dokumentarischen Spielraum zu erweitern, etwa eine Besetzung neuer Räume, die in Konkurrenz zu bestehenden Institutionen stehen (z.B. Amateurpraktiken), eine Umfunktionierung bestehender Institutionen (z.B. die Forschungsagentur Forensic Architecture) oder die Schaffung ganz neuer Institutionen (z.B. General Assembly, Milo Rau; Das Parlament der Körper, documenta 14).

4. Das Gegendokumentarische verweist auf das Andere des Dokumentarischen.
Nicht zuletzt eröffnet der Begriff des Gegendokumentarischen einen medien-philosophischen Horizont, sich mit dem Anderen, dem genuin Nicht- bzw. Anti-Dokumentarischen sowie mit dem Nicht-Dokumentierten, Nicht-Vermittelten und Nicht-Vermittelbaren zu beschäftigen.
Der Begriff des Gegendokumentarischen soll als Zugang dienen, um sich aus einer kritischen Distanz heraus neu dem Dokumentarischen zu widmen. Dabei rücken künstlerische, journalistische, juristische, politische und gegenkulturelle Praktiken ins Blickfeld, die sich als Alternativen zu etablierten dokumentarischen Verfahren und Institutionen begreifen. Sie erfordern es, sich kritisch mit dem Wahrheitsanspruch des Dokumentarischen zu beschäftigen und die Grenzen seines Geltungs- und Gegenstandsbereichs auszuloten. Dabei gilt es, für gegendokumentarische Praktiken die gleichen Maßstäbe anzusetzen wie für die Praktiken, die sie kritisieren. Denn die Unterscheidung zwischen dem Dokumentarischen und dem Gegendokumentarischen erweist sich als schwer zu greifendes Kippmoment, das eine anhaltende Reflexion und eine intensive Auseinandersetzung um die Ansprüche notwendig macht, die den dokumentarischen Akten im Kern des Gegendokumentarischen zu Grunde liegen.

Für die gemeinsame Diskussion dieser Ansätze freuen wir uns insbesondere über Beiträge aus den Medien-, Literatur-, Film-, Kunst-, Bild-, Theater-, Kultur-, Sozial- und Politikwissenschaften sowie über praxeologische Untersuchungen und Formen des artistic research. Neben wissenschaftlichen Vorträgen ist die Tagung offen für alternative Präsentationsformate. Für Beiträge ist eine Länge von 20 Minuten vorgesehen. Wir bitten um Abstracts im Umfang von max. 3000 Zeichen und eine Kurzbiographie per E-Mail an gegendokumentationrub.de.
Deadline ist der 31. März 2018.

Quellennachweis:
CFP: Gegen\Dokumentation (Bochum, 08-10 Nov 18). In: ArtHist.net, 05.02.2018. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/17298>.

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