REV-CONF 26.05.2015

Simone Martini e il suo polittico per i domenicani di Pisa

Museo Nazionale di San Matteo, Pisa; Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, 27.–28.04.2015

Bericht von Katharina Weiger, Freie Universität Berlin / Kunsthistorisches Institut Florenz
Redaktion: Livia Cárdenas

Tagungsbericht im Auftrag der Veranstalter

Die beiden Tage der Reflexion und Diskussion über Simone Martinis Polyptychon aus der Pisaner Dominikanerkirche Santa Caterina d’Alessandria hätten Maria Monica Donato (†2014) sicherlich gefallen. Gefreut hätte sie, die diese Konferenz so durchdacht konzipiert hat, dass dieses Werk unter verschiedenen, den relevanten Aspekten besprochen werden konnte, gewiss auch die Tatsache, dass der erste Teil der Veranstaltung im Museo Nazionale di San Matteo vor dem restaurierten und gereinigten Bild stattfinden konnte. Monica Donato wäre bestimmt auch darüber glücklich gewesen, dass gerade viele junge Gäste, ihre Schüler, mit dem Besuch der Konferenz, Interesse an jenem Künstler bekundeten, mit welchem sie sich u. a. im Rahmen einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Martinskapelle in Assisi beschäftigt hat.[1] Diese Tatsache hat zudem deutlich gemacht, dass die von Donato angestoßenen Projekte fortgesetzt sein wollen und müssen, was in den Begrüßungsansprachen mehrfach betont wurde (u.a. Dario Matteoni, Museo Nazionale di San Matteo und Fabio Beltram, Scuola Normale Superiore). Salvatore Settis erinnerte an Monica Donatos vielfältige Forschungsinteressen von der „arte civica a Firenze“[2] bis hin zu den Tafelkreuzen im Pisaner Museum, denen sie sich bis zu ihrem Tode gewidmet hat und welchen auch die Konzeption dieser Konferenz, ausgeführt in Zusammenarbeit mit dem Museo Nazionale di San Matteo, der Scuola Normale Superiore, der Università degli Studi di Firenze und dem Kunsthistorischen Institut in Florenz, entsprang. Die Beiträge des ersten Konferenzteils befassten sich mit der Restaurierung des Polyptychons sowie der Aufarbeitung der (kultur-)historischen Situation der Dominikaner im Pisa des frühen Trecento und boten eine gute Basis für den zweiten Tag in Florenz. An diesem interessierten die ikonographischen Themen in Bezug auf das Pisaner Altarbild, dessen Bedeutung im Werk von Simone Martini und der Einfluss des sienesischen Künstlers auf die italienische Malerei seiner Zeit.

Besonders aufschlussreich an den Ausführungen von Pierluigi Nieri (Il restauro del polittico di Santa Caterina – Novità e conferme: costruzione del supporto, modifiche in corso d’opera, disposizione delle tavole) waren die Ergebnisse der radiographischen Untersuchung, der zufolge die bisher nur vermutete Anordnung der Bilder bestätigt werden konnte, da sie die Verbindungsstellen auf den Rückseiten der einzelnen Tafeln sichtbar gemacht hat. Ferner zeigte sich, dass die Giebel im Entstehungsprozess um neun Zentimeter erhöht wurden, was es Martini ermöglichte, die Figuren größer darzustellen und dass noch ein Großteil der originalen, reichlich verwendeten pastiglia in den dekorativen Partien vorhanden ist, während jene in Holz Eingriffe im 19. Jahrhundert markieren. Luigi Colombini (Interventi di restauro; la pulitura del manto della Vergine, recupero e nuove conoscenze) betonte die graduelle Vorgehensweise bei der Reinigung des Mantels der Maria, die am stärksten unter vorangegangenen, aggressiven Eingriffen zu leiden hatte. Bei ihrer Arbeit konnten die Restauratoren die Verwendung sowohl von Azurit als auch Lapislazuli im Gewand der Muttergottes feststellen.

Als Exkurs war der Beitrag von Chiara Evangelista (Un sistema informativo per la comunicazione immersiva del restauro del Polittico di Simone Martini) zu verstehen, die jenes multimediale Programm vorstellte, welches vom Museum als didaktisches Überbrückungsmittel während der Abwesenheit von Simones Polyptychon eingesetzt worden war.

Sehr informativ waren die beiden Referate von Mauro Ronzani und Elisabetta Salvadori (Il convento domenicano di Santa Caterina di Pisa fra secondo e terzo decennio del Trecento), wobei vor allem die Auswertung der Dokumente durch Salvadori Anlass zur Diskussion bot. Die Historikerin verwies auf die erstmalige Erwähnung des frate Pietro im Januar 1320 als sagrestano, was das Auftragsdatum des Bildes wackeln lässt, bedenkt man, dass der Pisaner Dominikanerkonvent im Herbst desselben Jahres Gastgeber des Provinzkapitels war, was gemeinhin als Zeitpunkt der Fertigstellung des Werkes gilt. Eine Fertigstellung innerhalb weniger Monate lehnte Andrea De Marchi entschieden ab, während Joanna Cannon die Überlegung aufwarf, dass es eventuell zwei sagristani im Konvent gab. Mauro Ronzani ergänzte Salvadoris Ausführungen mit einer Erläuterung der politisch schwierigen Situation der Pisaner Dominikaner in dieser Zeit aufgrund der Spannungen zwischen der Stadt und dem dominikanischen Erzbischof Oddone della Sala. Er ging außerdem auf die Bedeutung des Kardinals Niccolò da Prato an der Kurie ein, dessen Entscheidung es vermutlich war, dass Tommaso da Prato 1320 Prior in Santa Caterina wurde. Gianfranco Fioravanti rekonstruierte anhand einer Chronik die Bedeutung des Dominikanerstudiums in den 1320er Jahren (La vita culturale del convento di Santa Caterina di Pisa a cavallo tra XIII e XIV secolo, vorgelesen von Andrea De Marchi). Nicht nur die sehr gut ausgestattete Bibliothek zeuge von der intellektuellen Konzentration innerhalb Pisas, auch die Tatsache, dass Dominikaner aus Florenz kamen, um sich dort dem Studium zu widmen, unterstreiche die Bedeutung des Konvents. Fioravanti betonte außerdem die Zugänglichkeit des Studiums auch für Laien.

Den zweiten Konferenzteil eröffnete nach einführenden Worten von Andrea De Marchi Giampaolo Ermini (Simone, Lippo e la scrittura. Immagini, forme, testi), der ein Forschungsgebiet Monica Donatos aufgriff, zu welchem die beiden gemeinsam gearbeitet haben, jenes der Künstlersignaturen und Inschriften.[3] Anhand von Beispielen erläuterte Ermini Charakteristika der Inschriften von Simone Martini und Lippo Memmi – das verkehrte N, der Buchstabe R in Form der Zahl 2 und das doppelte, überlappende P –, verdeutlichte wie fortgeschritten die Alphabetisierung der sienesischen Künstler im Trecento war und zeigte, dass sie darin Vorreiter waren, ein differenziertes grafisches System in ihren Bildern zu entwickeln. Victor M. Schmidt (The Prophets in the Pisa Polyptych by Simone Martini) widmete sich der Darstellung der Propheten in den Giebeln, wobei er u.a. auf die außergewöhnliche Kopfbedeckung von Daniel und die als einzige im Profil gezeigte Figur, Ezechiel, aufmerksam machte. Darin wollte er dessen innere Vision, kein schlichtes Lesen im Buch sehen. Seinem Vergleich mit Francesco Trainis Propheten auf der Dominikus-Tafel, ebenfalls für Santa Caterina d’Alessandria, und seiner Schlussfolgerung, dass sich hierin der Unterschied zwischen einem „guten und einem exzellenten Künstler“ zeige, entgegnete Cannon mit einem Verweis auf das unterschiedliche ikonographische Programm der Bilder. Der Beitrag von Giacomo Guazzini (San Tommaso d’Aquino raffigurato da Simone Martini a Pisa e sue prime ripercussioni) bot anregende Vergleiche der Darstellungstradition von Ordensheiligen wie z. B. jenen des Gloriosus Franciscus in der Unterkirche von Assisi als Prototypen mit der Figur des Thomas‘ von Aquin sowohl auf Simones Altar als auch im Bild von Lippo Memmi in Santa Caterina. Demnach, so Guazzini, wäre es konsequent die Triumphdarstellungen als Gloriendarstellungen zu bezeichnen, weshalb er die Ikonographie in Beziehung zum heiligen Augustinus in der Glorie brachte.

Erling Sigvard Skaug (Simone Martini and the development and significance of Trecento punchwork) betonte Martinis Pioniercharakter auf dem Gebiet der Punzierkunst und hierbei die Bedeutung des Pisaner Polyptychons, auf welchem im Vergleich zur Ludwigstafel in Neapel eine Vielzahl an neuen Stempeln auftaucht, die der Künstler später nicht mehr nutzte. Mit der Erweiterung der Punzen-Vielfalt ginge eine Komplexität der einzelnen Motive einher, die Simones Interesse an Material und Oberfläche zuzuschreiben ist. Andrea De Marchi (L’eredità della Maestà di Duccio nel polittico pisano di Simone e una lettura iconologica per il polittico francescano di Orvieto) machte u.a. anhand der Trägergestaltung und der Anordnung der einzelnen Figuren überzeugend deutlich, inwieweit Simone im Pisa-Bild „figlio“ von Duccio ist. Linda Pisani stellte sich mit ihrem Beitrag (Quale ruolo esercitò il polittico pisano di Simone Martini nella pittura a Pisa nella prima metà del Trecento?) den Fragen, ob das Werk tatsächlich in Pisa gemalt wurde und für wen es sichtbar war. Anhand der realistischen Effekte in den Dekorationen und des räumlichen Illusionismus zeigte sie Martinis Einfluss auf Francesco Traini, den Maestro di San Torpè und Giovanni di Nicola. Sie verwies außerdem auf Lippo Memmis Rolle für die Pisaner Malerei, der im Gegensatz zu Martini vor Ort präsent war, weshalb sie eine andere Art von Einfluss für diesen Künstler sowie verschiedene Rezeptionsphasen konstatierte. Rückgreifend auf die Dokumentenauslegung von Elisabetta Salvadori begann Joanna Cannon (Simone Martini’s Polyptych for the Dominicans of Pisa in the Light of his Polyptych for San Domenico in Orvieto) mit der Frage, ob nun davon auszugehen sei, dass die beiden von ihr besprochenen Werke gleichzeitig entstanden sind und dass das Jahr 1319 als Datum der Vollendung des Pisaner Polyptychons nun wohl endgültig verworfen werden könne. Sie betonte die Unterschiede in den Darstellungen, z.B. bei der Figur Magdalenas und dem verkürzten ikonographischen Programm und sprach sich für eine Debatte um die Werkstattbeteiligung beim Bild in Orvieto aus. Cannon widmete sich außerdem der Anordnung der Orvieto-Tafeln und legte Magdalenas Position zur Rechten der Madonna ganz außen fest, gefolgt von Dominikus und Petrus, während sie Paulus links von Mutter und Kind ansiedelte, vermutlich neben Petrus Martyr und Katharina von Alessandria, den beiden fehlenden Bildern. Einen letzten Höhepunkt bot der Beitrag von Machtelt Brüggen Israëls (Un’ipotesi per Lippo und Tederigo Memmi tra Siena e Avignone), mit dem sich das Konferenzthema den weitreichenden Verzweigungen der mittelitalienischen Kunst öffnete und Simones Tätigkeit in Avignon bedachte. Anhand einer vom päpstlichen Bibliothekar Joseph Marie de Suarès verfassten Eintragung von 1664 stellte Brüggen Israëls eine überzeugende These zur Neubewertung einer Madonnentafel aus der Kollektion Berenson, bislang dem Maestro di Palazzo Venezia zugeschrieben, vor. Dem Dokument und einem ikonographischen sowie stilistischen Vergleich zufolge könnte dieses über 1,80 Meter große Werk ein seltenes Beispiel für ein aus Avignon stammendes Altarbild sein, gemalt von Lippo und Tederigo Memmi.

In ihren Abschlussworten betonten Alessandro Nova und Gerhard Wolf die Schlüssigkeit der Konzeption dieser Tagung, die es ermöglicht hat zu einem tieferen Verständnis des Pisaner Polyptychons zu gelangen, was insbesondere das Verdienst von Monica Donato bleibt.

[1] La Basilica di San Francesco ad Assisi. Hrsg. von Giorgio Bonsanti, Maria Monica Donato u.a. Modena: Franco Cosimo Panini Editore Spa, 2002.
[2] Dal giglio al David. Arte civica a Firenze tra Medioevo e Rinascimento. Hrsg. von Maria Monica Donato und Daniela Parenti. Firenze: Giunti u.a., 2013.
[3] Le opere e i nomi. Prospettive sulla ‚firma‘ medievale. Hrsg. von Maria Monica Donato. Pisa: Casa Leopardi, 2000; Forme e significati della ‘firma’ d’artista. Contributi sul Medioevo, fra premesse classiche e prospettive moderne, in: Opera Nomina Historiae. Giornale di cultura artistica. Hrsg. von Maria Monica Donato, 1 (2009).

Empfohlene Zitation:
Katharina Weiger: [Tagungsbericht zu:] Simone Martini e il suo polittico per i domenicani di Pisa (Museo Nazionale di San Matteo, Pisa; Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, 27.–28.04.2015). In: ArtHist.net, 26.05.2015. Letzter Zugriff 19.03.2024. <https://arthist.net/reviews/10307>.

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