CFP 25.02.2015

Corpusbildung in der Fotografieforschung (Braunschweig, 21 May 15)

HBK Braunschweig, 21.05.2015
Eingabeschluss : 23.03.2015

Daniel Bühler

Call for Papers / Participation

Workshop „Probleme der Corpusbildung“ der AG „Fotografieforschung“ der Gesellschaft für Medienwissenschaften

Am DFG-Graduiertenkolleg 1843 „Das fotografische Dispositiv“, HBK Braunschweig, 21.05.2015

Konzept:
Für jedes wissenschaftliche Argument gilt, dass seine Wissenschaftlichkeit nicht zuletzt durch die Reflexion der eigenen Methoden sichergestellt wird. Der Workshop der AG Fotografieforschung möchte sich dieses Jahr solch einem methodischen Problem zuwenden: der Corpusbildung. Dieses Problem stellt sich immer dann, wenn der Bereich über den Aussagen getroffen werden soll, größer als derjenige ist, der sich sinnvoll bearbeiten lässt. Im Corpus treffen idealerweise die Struktur des Gegenstandsbereichs und das Erkenntnisinteresse der Fragestellung zusammen.

Reflektiert werden sollen in dem AG-Workshop, welche allgemeinen und medienspezifischen Probleme bei der Bildung von Foto-Corpora auftreten und welche Lösungswege zur Verfügung stehen. Drei Ebenen können hier zur Sprache kommen:

1. Die Ebene der Quantität:
Um aus einer Überfülle an Material auszuwählen, wie sie insbesondere die technisierte Medienökonomie der Moderne hervorbringt, haben die traditionellen Künste Prozesse der Kanonisierung etabliert, die das durch seine Qualität überzeitlicher Aufmerksamkeit Würdiges gegen Nebensächliches und Banales abgrenzen. Auch wenn diese machtvollen Ausschließungsprozesse mit guten Argumenten kritisiert worden sind, so gliedern sie doch beharrlich in der einen oder anderen Form die Ordnung kultureller Texte, denn das Bezugsproblem, die nicht mehr handhabende Fülle des Angebots, bleibt konstant erhalten. Auch die wissenschaftliche Forschung schließt an Kanonisierungsprozesse an und arbeitet an diesen mit.

Bei der Fotografie findet man Kanonisierungen primär in dem Bereich vor, den man der Sphäre der Kunst einzuverleiben versucht, allerdings nicht ausschließlich dort – aus dem Bereich der wissenschaftlichen Fotografie lässt sich z.B. an Duchenne de Boulognes Aufzeichnungen von Mimik denken. Inwiefern muss man sich auf solche Kanones und Forschungstraditionen beziehen? Inwiefern sollte man sie erweitern oder ganz in Frage stellen? Das quantitative Gefälle von kanonisierten zu nicht kanonisierten Bildern ist in jedem Fall bei der Fotografie eklatant, egal ob es um das Porträt, ‚Landschaften‘ oder den Fotojournalismus geht. Für viele Fragestellungen und Gegenstandsbereiche (z.B die Knipserfotografie) scheinen Kanonisierungen – also die Herausfilterung des ‚Guten‘ – allerdings problematisch, wenn nicht völlig verfehlt. Dies macht alternative, themengeleitete Begründungsstrategien eines Corpus nötig, die möglicher auf Repräsentativität statt Exzeptionalität setzen. Wie wählt man sinnvoll aus, wenn man die Gesamtheit des Materials nicht zur Verfügung hat oder nicht einmal überschauen kann? Sind Zufallsauswahlen statthaft? Wie geht man mit den sich kontinuierlich wandelnden Zusammenstellungen und Konstellationen von Fotografien im Web 2.0 um? Ist man hier auf quantifizierende Methoden (Stichwort: digital humanities) angewiesen, um der Fülle gerecht zu werden?

2. Die Ebene der Qualität:
Wenn Corpora eine zugleich handhabbare und repräsentative Auswahl anstreben, so bleibt gerade bei der Fotografie neben der Menge auch die Frage nach der Qualität bestehen. Dies hat medienspezifisch mit der Pluralität von Erscheinungsformen von fotografischen Bildern zu tun. Muss ich vintage prints im Archiv anschauen oder reichen die Abbildungen in einem Werkverzeichnis oder Ausstellungskatalog, vielleicht sogar ein Online-Archiv? Wie gehe ich mit unterschiedlichen Fassungen/Abzügen desselben Negativs um? Spielt es eine Rolle, mit welchem Bildschirm und in welcher Größe ich eine digitale Bilddatei visualisiere? Auf dieser Ebene stellt sich die Frage erneut, welche Aussagen über welchen Gegenstandsbereich ein bestimmtes Corpus erlaubt.

3. Die Ebene des Kontexts:
Ein weiteres Problem der Corpusbildung ist in Bezug auf die Fotografie gerade in jüngster Zeit auf die Agenda gesetzt worden: Inwiefern muss ich bei meiner ‚Probe‘ den Kontext miteinbeziehen? Oder anders gefragt: Was muss ich zusätzlich zu dem Bild selbst noch mit konservieren und einbeziehen? Ein Corpus setzt sich dann unter Umständen nicht mehr nur aus den Bildern selbst, sondern aus ihren materiellen und semantischen Kontextualisierungen in einem Fotobuch, einer Zeitschrift oder auf einer Website zusammen. Darf ich über ein Bild überhaupt jenseits seiner verschiedenen Kontextualisierungen sprechen? Und inwieweit gibt die Forderung nach Berücksichtigung des Kontextes noch Sinn, wenn digitale Bilder in technisch jeweils neu hergestellten und nicht stabilisierbaren Konstellationen auftauchen?

Organisatorisches:
Um diese Fragen zu diskutieren sind zum einen kurze Beiträge (ca. 15 Min.) eingeladen, die aus der Perspektive der eigenen Forschung Probleme und Lösungsvorschläge der Corpusbildung zur Diskussion stellen. Zur Einreichung genügt eine einseitige Skizze (ca. 300 Wörter), die bis zum 23.03. bei den OrganisatorInnen eingegangen sein sollte. Zur Vorbereitung der Teilnehmer des Workshops sollte dann bis zum 27. April 2015 eine schriftliche Kurzversion vorliegen.

Willkommen sind des Weiteren Vorschläge für zu diskutierende Texte, die sich auf das Problem des Corpus entweder methodisch beziehen oder exemplarisch für eine bestimmte Umgangsweise stehen. Hier wäre der Textvorschlag zusammen mit einer kurzen Begründung (ca. 300 Wörter) einzureichen.

Einreichungen von Diskussionspapieren sowie Textvorschlägen sollten bis zum 23. März 2015 gerichtet werden an: d.buehlerhbk-bs.de.

Anmeldungen zur Teilnahme sind auch noch später möglich, werden jedoch so rasch wie möglich erbeten, um die Organisation zu erleichtern. Um teilzunehmen oder ein Papier einzureichen, muss man nicht unbedingt Mitglied der AG Fotografieforschung sein.

Alle Texte werden den Teilnehmern rechtzeitig vor dem Workshop zur Verfügung gestellt.

Der Workshop findet am 21. Mai 2015 an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig statt. Als Zeitraum anvisiert ist zunächst einmal ca. 11-17 Uhr, um An- und Abreise am selben Tag zu ermöglichen. Je nach Interesse und Zahl der Einreichungen kann der Zeitrahmen auch ausgedehnt werden.

Konzeption:
Jens Ruchatz (Co-Sprecher der AG Fotografieforschung)
Organisationsteam an der HBK Braunschweig:
Carolin Anda
Daniel Bühler

Quellennachweis:
CFP: Corpusbildung in der Fotografieforschung (Braunschweig, 21 May 15). In: ArtHist.net, 25.02.2015. Letzter Zugriff 16.04.2024. <https://arthist.net/archive/9566>.

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