CFP 27.01.2015

Kritik des Sehens (Bern, 12-13 Jun 15)

Universität Bern, Institut für Kunstgeschichte, 12.–13.06.2015
Eingabeschluss : 02.03.2015

Eva Buchberger

Call for Papers

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Kritik des Sehens in Kunst und Kunsttheorie der Moderne und Gegenwart
Interdisziplinärer Workshop, Universität Bern, Institut für Kunstgeschichte

Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben vielfältige technische, wissenschaftliche und kulturgeschichtliche Entwicklungen dazu beigetragen, die Vorstellungen davon grundlegend zu modifizieren, wie visuelles Wahrnehmen funktioniert und welcher Status dem daraus gewonnenen Zugang zur sichtbaren Welt zukommen kann. Parallel zur kritischen Wende in der Erkenntnistheorie, zur Entstehung der physiologischen Optik und der Erfindung der Photographie (um nur wenige der Entwicklungen zu nennen) ist in der Kunst – und hier vor allem in der Malerei – ein gesteigertes Interesse daran feststellbar, das Sehen selbst in der Darstellung des Gesehenen in einer neuartigen Weise zu reflektieren. Der Fokus der Künstler liegt dabei oft auf der Vielfalt und Formlosigkeit des Sehens, auf der subjektiven und produktiven Seite der Wahrnehmung und auf deren körperlich-physischen Bedingungen, wobei der traditionell hohe erkenntnistheoretische Status des Sehsinns meistens in Frage gestellt wird. Trotz dieser Tendenzen zur Betonung des fragmentarischen, subjektiven und letztlich konstruktiven Charakters des Sehens gestaltet sich die Situation der Kunst und Kunsttheorie in der Moderne keineswegs linear, denn gerade im Modernismus der Nachkriegszeit sind auch starke gegenläufige Bestrebungen zu beobachten. Mit der durch Clement Greenberg in den 1950er und 1960er Jahren geprägten, um den Begriff der opticality zentrierten Debatte, wurde beispielsweise die Gleichsetzung von Sehen und Erkennen fortgesetzt und eine ästhetische Tradition wiederaufgegriffen, die den Sehsinn verabsolutiert und zum „Königssinn“ erklärt.

Im Workshop möchten wir die Kritik des Sehens in der Kunst der Gegenwart (1960er Jahre bis heute) diskutieren. Ausgangspunkt für diese Fokussierung bildet die Tatsache, dass insbesondere in den Medien des Films/Videos, der Installation und der Performance Fragen der Wahrnehmung explizit thematisiert werden. Künstler wie Richard Serra, Robert Smithson, Bruce Nauman und Michael Asher haben bereits Ende der 1960er Jahre in Abwendung von Greenbergs opticality das Medium Malerei zugunsten von Film, Installation und Performance verlassen, die dezidiert körperlich und zeitlich wahrgenommen werden. Die jüngere künstlerische Generation – exemplarisch seien hier Carsten Höller, Ann Veronica Jannsens und Tino Sehgal genannt – nehmen die Positionen der älteren Kollegen auf, ohne diese bloß zu wiederholen: Dunkle Kammern, gleißend helle Lichtwände und vernebelte Kuben führen den Sehsinn des Betrachters oftmals an seine Grenzen. Diese Kunstwerke fordern transsensorische Rezeptionsmodi heraus und befragen damit erneut die tradierte Überlegenheit des Sehsinns und seine vermeintliche Objektivität.

Als Diskussionsgrundlage können folgende Fragen dienen:

-Welche normativen Wahrnehmungsmodi stehen im Fokus dieser Kritik?
-Welche Konzepte der Wahrnehmung werden in den neuen Medien verhandelt und wie ausgelegt?
-Welche Rolle spielt die Vorstellung der Zeitlichkeit der Wahrnehmung in neuerer Kunst?
-Auf welche philosophischen und wissenschaftlichen Wahrnehmungsmodelle greifen die Künstler zurück?
-In welchem Verhältnis stehen die genannten zeitgenössischen Strategien zu künstlerischer und theoretischer Kritik des Sehens in der früheren Moderne?

Wir freuen uns auf Beiträge aus der Kunstgeschichte, Kunstwissenschaft und fachverwandten Disziplinen (insbesondere von Nachwuchswissenschaftler/Innen). Vorschläge für 30-minütige Vorträge in deutscher und englischer Sprache sind willkommen.

Bitte schicken Sie Ihre Abstracts (max. 300 Wörter) sowie einen CV bis zum 02. März 2015 an eva.buchbergerikg.unibe.ch und m.nieslonyzegk.uni-heidelberg.de

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The critique of visual perception in modern and contemporary artistic and theoretical practice
Interdisciplinary Workshop, University of Bern, Institute for Art History

Since the middle of the 19th century, various technical, scientific and cultural developments have modified the idea of how visual perception works.
In parallel to the formation of epistemology, physiological optics and the invention of photography, artistic practice (especially painting) has shown an increased interest to reflect the process of seeing in representation itself. Artists often focus on the diversity and formlessness of seeing, on the subjective and productive side of perception and its physical condition whilst questioning the epistemological status of the visual sense. Despite those tendencies to emphasise the fragmentary, subjective and ultimately constructive character of visual perception, modernist artistic and theoretical practices have introduced opposing efforts. When Clement Greenberg coined the term opticality in the 1950s and 1960s for example, he re-activated a discourse which draws on the equation of vision and recognition and treats eyesight as the appropriate sense to perceive and process art.
In this workshop, we would like to discuss critiques of visual perception in contemporary artistic and theoretical practices (1960s-today). Our starting point is the observation that especially media like video, installation and performance extensively address questions concerning perception. During the late 1960s, artists like Richard Serra, Robert Smithson, Bruce Nauman and Michael Asher turned away from the medium of painting and Greenberg`s dictum and instead searched for alternative modes of representation which could be perceived physically and temporally. The younger generation of artists – for example Carsten Höller, Ann Veronica Jannsens and Tino Sehgal – reconsider those positions without merely repeating them: dark chambers, blindingly bright lightwalls and cubes filled with mist disrupt and negate the viewer`s sense of sight. These artworks trigger trans-sensory modes of perception and thus question the traditional superiority and alleged objectivity of the visual sense once again.

Topics may include, but are not restricted to:
-Which normative modes of perception are challenged or criticised?
-Which concepts of perception do new media address and interpret?
-What role does the notion of temporality of perception play in contemporary art?
-To which philosophical and scientific modes of perception do artists refer?
-How can the relationship between contemporary strategies and early modernity be described?

We are looking forward to contributions from visual culture studies, art history and subject-related disciplines (especially from graduate and postgraduate students). Proposals for 30-minute lectures in German and English are welcome.
Please send your abstracts (max. 300 words) and a CV by 2 March 2015 to: eva.buchbergerikg.unibe.ch and m.nieslonyzegk.uni-heidelberg.de

Organised by:
Eva Buchberger, Institut für Kunstgeschichte, Universität Bern
Magdalena Nieslony, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Quellennachweis:
CFP: Kritik des Sehens (Bern, 12-13 Jun 15). In: ArtHist.net, 27.01.2015. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/9351>.

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