CFP 14.07.2014

Hybrid Photography (Berlin, 19-21 Feb 15)

Humboldt-Universität zu Berlin, 19.–21.02.2015
Eingabeschluss : 30.09.2014

Sara Hillnhütter, Berlin

Call for Papers

Hybrid Photography: Intermedial Practices in Sciences and Humanities since 1800

Hybride Fotografie. Intermediale Bildpraktiken in den Wissenschaften seit 1800

[English version below]

Konzept und Organisation: Sara Hillnhütter, Stefanie Klamm (Berlin), Friedrich Tietjen (Leipzig)

Mit der Entwicklung der ersten fotografischen Verfahren nach 1800 haben sich Bedeutung und Verwendung von Bildern in den Wissenschaften mehrfach verschoben. Zielten (und zielen) grafische Abbildungen in Publikationen und anderen Medien tendenziell auf eine Verallgemeinerung oder Interpretation eines Sachverhalts, versprach die Fotografie, diesen Sachverhalt in seiner je konkreten Besonderheit darzustellen. Eigenschaften des Objektes – gleich ob Sonnenspektrum, anatomische Sektion oder Architekturdetail – wurden dabei teilweise vollständig in das Bild delegiert, so wie es in ähnlicher Weise schon einmal durch das Aufkommen linsenbasierter Medien (Teleskopie, Mikroskopie) geschehen war. Durch die immer weitergehende Abhängigkeit von Medien der Beobachtung, Messung und Speicherung erwies sich eine große Zahl von Fachgebieten als veritable Bildwissenschaft, von denen einige ihre Existenz überhaupt dem Aufkommen neuer Verfahren verdanken.

Mit der Fotografie wurden Bilder in neuer Weise zu Objekten wissenschaftlicher Erkenntnis. Dabei blieb dem Kollektivsingular Fotografie von Beginn an eine eigentümliche Hybridität eingeschrieben, die sich aus einer Vielzahl manueller und mechanischer Techniken ergeben hat, welche in das Medium übertragen wurden. Traditionelle Darstellungskonventionen setzten sich darin in demselben Maße fort, wie die technische Revolution die Erwartung schürte, bisher ungeahnte Bilder und Einsichten zu ermöglichen. So griff die Fotografie seit ihren Anfängen bei N. Niépce, W. H. F. Talbot und L. J. M. Daguerre auf andere reproduktive Medien zurück oder wurde an ihnen gemessen, etwa indem sie drucktechnische Träger, Stoffe und Kopierverfahren übernahm oder ihr System der Grauwertwiedergabe mit dem der Druckgrafik abgeglichen wurde. Grafische Verfahren des Holz- und Stahlstichs blieben bis Ende des 19. Jahrhunderts fast die einzige Möglichkeit, fotografische Aufnahmen im Direktdruck und in Kombination mit Text zu vervielfältigen, was wiederum die Verbreitung und Wahrnehmung visuellen Wissens beeinflusste.

Durch hybride Verfahren, die sowohl grafisch-manueller wie fotografisch-technischer Natur waren, wie beispielsweise die Fotoxylografie (bei der Holzblöcke mit Emulsionen überzogen, dann belichtet und fixiert wurden, so dass der Stecher durch das fotografische Bild hindurch arbeiten konnte), konnten fotografische Aufnahmen zwar nicht in ihren Halbtönen, aber doch als Bildmuster vervielfältigt werden. Zwar wurde es um 1890 möglich, Halbtöne fotografischer Bilder in distinkte Bildpunkte zu zerlegen (Rasterung), jedoch blieben auch bei den neuen autotypischen Druckverfahren manuelle Eingriffe bei der Herstellung von Druckklischees notwendig und üblich. Nicht nur die chemischen Prozesse bei der Ätzung der Druckstöcke ließen sich kaum mechanisieren; die als Vorlagen dienenden Fotografien bedurften qualifizierter Überwachung, wurden retuschiert, beschnitten und beim Vergrößern in ihren Grauwerten auf eine vermeintliche Normalität hin korrigiert.

Der gemeinhin mit dem Aufkommen der Fotografie gesetzte epistemologische Bruch ist demnach weniger in der Produktion vermeintlich wahrhaftiger Bilder zu suchen, als vielmehr darin, dass sich mit der Etablierung der Fototechnik die zuvor deutlich unterschiedenen Modi der Bildproduktion ineinander zu schieben begannen: Fotografie konnte als Malerei oder Zeichnung begriffen werden (indem sie ihre Aufnahmen kolorierten und retuschierten) und wie Druckgrafik produziert werden (wie im Falle der Fotoxylografie); in Mischformen wie der Fotoskulptur wurden Körper durch Aufnahmen räumlich umgesetzt, in anthropologischen Kompositbildern entstanden Bilder mutmaßlicher menschlicher Idealtypen erst aus der Mehrfachbelichtung von Porträtfotografien.

Hybride Verfahren lösten damit einerseits das Problem der Vervielfältigung fotografischer Bilder im Druck. Andererseits stellte der manuelle Eingriff in das technische Bild dessen besondere Qualitäten als wissenschaftliches Objekt in demselben Augenblick in Frage, als er dessen Verwendung im wissenschaftlichen Zusammenhang überhaupt ermöglichte. Schon als F. Arago im Jahre 1839 die Daguerreotypie vorstellte, entwickelte er einen ganzen Katalog von möglichen Aufgaben, die sich mit ihrer Hilfe erledigen ließe; dabei wurde im selben Augenblick deutlich, dass Fotografie hergerichtet werden müsse, um sie wissenschaftlich einsetzen zu können. Die Folge war eine jahrzehntelange Diskussion der darstellenden Qualitäten der Fotografie und ihres Unterschieds zu anderen verfügbaren Medien wie Malerei, Zeichnung oder Abgussverfahren. Indem jedes Fach seine eigenen, anwendungsbezogenen Argumente vorbrachte, wurde Fotografie zu einer weiteren Bildtechnik, deren Beherrschung das Bilderwissen moderner Disziplinen auszeichnet.

Erst durch diese Reflexion konnte Fotografie zu jenem visuellen Leitmedium werden, das die wissenschaftliche Wahrnehmung der Bilder späterer Techniken (Film, Video, strahlen- und computerbasierte Verfahren der Bildgebung) nachhaltig bestimmte. Auch in deren Bildwelten wirken Methoden, Bildauffassungen und Erkenntnishorizonte fort, die sich bis in die Anfänge der Reproduktion von Bild und Schrift verfolgen lassen. Entgegen einer allgemeinen Rhetorik lag und liegt ihre wissenschaftliche Verwertbarkeit daher in der Verbindung mit Messverfahren und der Überlagerung mit anderen Aufzeichnungssystemen wie der Kartografie, der Astronomie, der Fotogrammetrie und der Fotometrie. Als Archivbild wurden Fotoabzüge Klassifikationsrastern unterworfen und über Beschriftungen auf Kartonunterlagen und Stempel in für Wissenschaftler verwertbare Daten umgewandelt. Die produktive Kraft des Fotografischen für die Wissenschaften beruht also gerade auf seinem hybriden Status zwischen Bildobjekt und Objektbild.

Ziel der Tagung ist es, aus einer historischen und aktualisierenden Perspektive heraus die Probleme der Produktion, Reproduktion und Distribution fotografischer Bildtypen mit der Entwicklung und Formung wissenschaftlicher Gebiete und Disziplinen in Beziehung zu setzen; hierbei schließt sie an die Untersuchung ausgewählter Fächer (Kunstgeschichte, Astronomie, Medizin) an, für welche erste Studien vorliegen. Während in diesen jedoch besonders der revolutionäre Charakter der Fotografie oder ihr zweifelhafter Objektivitätsstatus im Vordergrund stehen, soll die Tagung vor allem das produktive Wechselverhältnis gleichzeitig bestehender Medien und Technologien hervorheben und dafür Wissenschaftler/innen bestimmter Disziplinen zusammenführen, die über das Fachpublikum der Kunst-, Bild- oder Mediengeschichte hinaus auch die Natur- und Sozialwissenschaften sowie angewandte Felder der Bildproduktion ansprechen.

Vorgesehen sind zur Zeit folgende Schwerpunkte:

- Formen hybrider Bilder: Medien, Techniken, Verschränkungen, Bearbeitungen wissenschaftlicher Bilder im Überblick
- Zwischen Objektivität und Objekt: Theoriebildung zur Fotografie in den Wissenschaften
- Fotografie als Instrument: Anwendungen der Fotografie zwischen Repräsentation und Messung
- Fotografie als Wissenschaft: Anpassung fotografischer Verfahren an wissenschaftliche Zwecke
- Fotografie und Kommunikation: Zirkulation wissenschaftlicher Fotografien von der Archäologie bis zur Astronomie
- Beschriftung und Retusche: das Material der Fotografie (Rückseiten, Kartonagen, Stempel)
- Mixed Media: Wissenschaftliche Dokumentation mit Zeichnung und Fotografie

Die Tagung wird vom 19. bis zum 21. Februar 2015 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfinden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind herzlich einladen, Vorschläge für 20-minütige Tagungsbeiträge in Form einer kurzen Zusammenfassung von nicht mehr als 2000 Zeichen in deutscher oder englischer Sprache bis zum 30. September 2014 einzureichen. Für Reisekosten und Unterkunft, soweit notwendig, können die Organisatoren aufkommen. Die Publikation eines Tagungsbandes ist geplant. Bitte senden Sie Ihr Abstract und einen kurzen CV an hybridphotographygmx.de

Sara Hillnhütter/Stefanie Klamm/Friedrich Tietjen

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English version

Hybrid Photography: Intermedial Practices in Sciences and Humanities since 1800

concept and organization: Sara Hillnhütter, Stefanie Klamm (Berlin), Friedrich Tietjen (Leipzig)

Since the first photographic processes were introduced after 1800, the meaning and use of images in sciences and humanities alike have been shifting several times. Whereas graphic illustrations in publications and other media tended (and still tend) to aim at a generalization or interpretation of an actual situation, the photograph promised to represent this situation in its ever specific particularity. Properties of the object - whether it be a solar spectrum, an anatomical section or an architectural detail - were thereby partially completely delegated to the photographic image, as it had happened in a similar way once before by the emergence of lens-based media (telescopes, microscopy). Due to the ever increasing dependency on media of observation, measurement and storage a large number of areas of expertise proved to be based on visuals. Some of these fields even owe their existence to the appearance of new visual methods.

With photography images became objects of scientific examination and perception in a new way. From the very beginnings the collective singular photography was however imbued with a certain hybridity as a variety of manual and mechanical techniques were transferred into the medium. The line between graphic and photographic images was rather blurred: On the one hand already early practitioners such as N. Niépce and W.H.F. Talbot not only used photographic processes to reproduce drawings, engravings and etchings but also employed materials, processes and terminology derived from the earlier graphic processes. On the other hand the same graphic processes were till the late 1880s the only means of reproducing photographic images directly and in combination with texts in books and magazines since until then there was no way of translating photographic halftones into relief or intaglio clichés. This in turn influenced the distribution and perception of visual knowledge.

By hybrid methods that were of both graphic-manual and photographic-technical nature photographic images could indeed not be reproduced in their halftones, but as grids. This was for instance the case with photo-xylography, where the wood blocks were coated with emulsions, then exposed and fixed, so as to allow the engraver to work through the photographic image. While it was possible around 1890 to fractionize halftones of photographs into distinct pixels (raster), manual intervention continued to be necessary and customary in the production of printing plates also with the new halftone printing process. Not only could the chemical processes involved in the etching of woodblocks hardly be mechanized, the photographs, which served as templates, required skilled supervision. They were retouched, cropped and when enlarged corrected in their gray values to guaranty their supposed normality.

The epistemological break commonly set with the advent of photography lies therefore not so much in the production of supposedly truthful images, but rather in the fact that with the establishment of the photographic technique the previously clearly distinct modes of image production began to engage with each other: photography could be understood as painting or drawing (with the coloring and retouching of photographs) and could be reproduced as graphic prints (as in the case of photo-xylography). In hybrid forms like photo sculpture bodies were implemented spatially by photographing, in anthropological composite images recordings of assumedly human ideal types originated from multiple exposures of portrait photographs.

Hybrid methods solved on the one hand the problem of reproduction of photographs in print. On the other hand, the manual intervention into the photographic image challenged its specific qualities as a scientific object at the same moment as it allowed its use in the scientific context at all. Even when F. Arago presented the daguerreotype in 1839, he developed a whole catalog of scientific tasks, which could be done with its help. At the same moment it was clear that the photographs must be prepared in order to use them scientifically. The result was a discussion of the performing qualities of photography and its differences to other available media such as painting, drawing or casting techniques for decades. By each profession putting forward its own use-oriented arguments, photography became yet another imaging technique, whose mastery characterizes the visual knowledge of modern disciplines.

Only through this reflection photography could become the visual medium par excellence, which determined the scientific perception of images of later techniques (film, video, radiation- and computer-based imaging techniques) strongly. Also in this imagery of later techniques methods, visual conceptions and thresholds of knowledge continue to have an effect that can be traced back to the beginnings of reproduction of image and text. Therefore - contrary to a general rhetoric - the scientific usability of these photographic images was and is based upon conjunctions with measurement procedures and the superposition with other recording systems such as cartography, astronomy, photogrammetry and photometry. As archival images photographic prints were subjected to classification grids and by labels on cardboard supports and stamps converted into usable data for scholars. The productive power of photography for the sciences and humanities is thus based on its hybrid status between the object depicted in the image and the picture as object itself.

The workshop aims at putting problems of production, reproduction and distribution of photographic image types in a historical and updated perspective and relating them to the development and shaping of scientific fields and disciplines. Hence it connects to recent studies in selected disciplines (art history, astronomy, medicine). However, while most of them foreground the revolutionary character of photography or its arguable status of objectivity, the conference will highlight mainly the productive interrelationship of concurrent media and technologies. It will bring together scholars of different disciplines, which also beyond art and media history appeal to an audience of natural and social sciences and applied fields of image production.

Currently the following key aspects are planned:

- forms of hybrid images: media, techniques, entanglements, processing of scientific images
- between objectivity and object: theorizing photography in the sciences
- photography as an instrument: applications of photography between representation and measurement
- photography as a science: adaptation of photographic methods to scientific purposes
- photography and communication: circulation of scientific photographs from archaeology to astronomy
- inscription and retouching: the materiality of photography (reverse, cardboard, stamps)
- mixed media: scientific documentation with drawing and photography

The conference will take place from 19th to 21st February 2015 at Humboldt-University in Berlin. We would like to invite proposals for 20 minutes papers. The publication of the results of the conference is planned. Travel and accommodation costs for participants can be covered where necessary. Please send your abstract (max. 2000 characters) and a short CV until September 30, 2014 to hybridphotographygmx.de.

Sara Hillnhütter/Stefanie Klamm/Friedrich Tietjen

Quellennachweis:
CFP: Hybrid Photography (Berlin, 19-21 Feb 15). In: ArtHist.net, 14.07.2014. Letzter Zugriff 25.04.2024. <https://arthist.net/archive/8214>.

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