„Warum erweisen sich alle außergewöhnlichen Männer in Philosophie oder Politik oder Dichtung oder in den Künsten als Melancholiker“?
So beginnen die pseudoaristotelischen Problemata Physica XXX, 1 – die Frageform enthält schon die Behauptung, die seit mehr als zwei Jahrtausenden in der abendländischen Tradition scheinbar ungebrochen wiederholt wird und deren vermeintlich kontinuierliche Wirkmacht als bestens erforscht gilt. Analysiert man die Genealogie, Medialität und Dynamik dieses Denkbilds vom melancholischen Grund des Schöpferischen jedoch aus morphomatischer Sicht, so ergeben sich bisher kaum beantwortete Fragen:
Warum verblasste diese so eindrücklich gestaltete Vorstellung von der Schöpferkraft der
Melancholie sofort wieder, und zwar für mehr als eineinhalb Jahrtausende, und was bewirkte ihre triumphale Wiederkehr in der Renaissance?
Wie verhielt es sich mit der tatsächlichen Wirkmacht von Dürers ‚Melencolia, I’ auf Literatur, Kunst und Philosophie der Folgezeit, bevor dieser Kupferstich von den Kunsthistorikern Fritz Saxl und Erwin Panofsky so brillant und einflussreich besprochen wurde?
Im Abendland wird die Melancholie seit der Renaissance als Genieausweis gehandelt – wie jedoch sieht es in anderen Kulturtraditionen aus? Hat die Melancholie des Schöpferischen ‚Schwestern’ in anderen Weltkulturen? Welche Artefakte, Theorien und Praktiken bezeugen dies?
Das Tagungsprogramm folgt diesen drei Fragen, verhandelt also zum einen Hauptmanifestationen der Vorstellung melancholischen Schöpfertums und setzt dabei zum anderen einen ebenso gewichtigen Akzent auf den Kulturvergleich.
TUESDAY, JUNE 7TH
9.30 Günter Blamberger / Tanja Klemm
Introduction
10.15 Eckart Schütrumpf (Boulder)
Melancholy of extraordinary men – a fourth cent. B.C. explanation of all greatness of men
COFFEE AND TEA
11.30 Dominik Wujastyk (London/Vienna)
Depression, humours, and personality in the Carakasa?hit? and related texts
Discussion and Moderation: Klaus Bergdolt
LUNCH
14.30 Maria Moog-Grünewald (Tübingen)
Petrarcas Secretum
15.15 Antje Wittstock (Berlin)
Tradition und Innovation. Marsilio Ficinos Melancholiekonzept und seine Auffassung vom Schöpferischen
Moderation: Jan Söffner
COFFEE AND TEA
16.30 Martin Büchsel (Frankfurt on the Main)
Dürers Stich “Melencolia, I“ und die Frage der künstlerischen Produktivität.
17.15 Claudia Wedepohl (London/Cologne)
Humanisierung der Kosmologie. Aby Warburgs symbolische Dürerdeutung
Moderation: Thierry Greub
WEDNESDAY, JUNE 8TH
9.30 Grantley McDonald (Leuven)
Hermetic Anthropology and Melancholia in Magnus Hundt’s Anthropologium
Moderation: Melanie Wald-Fuhrmann
COFFEE AND TEA
10.45 Wolfgang Kubin (Bonn)
“Ten Thousand Years of Sadness!" Towards the Problem of Melancholy in Chinese Middle Ages
11.30 Martin Böke (Cologne)
Wo sich Hippokrates und Gelber Kaiser treffen – die Verbindung von Emotionen und Körper in der Chinesischen Medizin
Moderation: Asuman Lätzer-Lasar
LUNCH
14.30 Ryosyke Ohashi (Kyoto/Cologne)
“Ukiyo”: Die trauervolle, dennoch genussreiche Welt - Die Melancholie nach der japanischen Lebensanschauung
15.15 Guo Yi (Beijing/Cologne)
Investigation on Creativity and its Correlation with Melancholy under the Background of Chinese Tradition
Moderation: Martin Roussel
COFFEE AND TEA
16.30 Jacob Mabe (Berlin)
Afrikanische Perspektiven der Melancholie
17.15 Parul Dave Mukherji (New Delhi)
Tragic Creativity: Exploring difference in Indian Aesthetics
Moderation: Larissa Förster
Evening Lecture - Alter Senatssaal, Universität zu Köln
19.30 Sudhir Khakar (Goa)
Artistic Creativity and its Discontents: The Indian View
Moderation and Discussion: Wilhelm Voßkamp
Konzept: Günter Blamberger, Sidonie Kellerer, Tanja Klemm
Organisation und Kontakt: Eva-Maria Tönnies
(eva-maria.toenniesuni-koeln.de)
Quellennachweis:
CONF: Figurationen des Schoepferischen (Koeln 7-8 Jun 2011). In: ArtHist.net, 21.05.2011. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/1411>.