CONF 16.05.2011

HyperKult XX: Trivialisierung (Lüneburg, 7-9 Jul 2011)

Leuphana Universität Lüneburg, 07.–09.07.2011

Claus Pias

HyperKult XX
Computer als Medium

Trivialisierung

7.-9. Juli 2011

Leuphana Universität Lüneburg
Rechen- und Medienzentrum und
Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien
Gebäude 7, Raum 215
Scharnhorststr. 1
21335 Lüneburg

www.leuphana.de/hyperkult

veranstaltet von der
Gesellschaft für Informatik e. V. (GI), FG "Computer als Medium", FB Informatik und Gesellschaft

Das Programm des Workshops

Computer sind so komplex, dass seit je ihr innerer Aufbau vor ihren Nutzerinnen und Nutzern hinter Interfaces versteckt werden musste, damit sie bedienbar wären. Zu diesem Zweck haben Software Engineering und Interfacedesign Strategien des Information Hiding und der funktionalen Segmentierung verfolgt. Systeme wie Doug Engelbarts NLS, Ivan Sutherlands Sketchpad, Alan Kays Dynabook, GUIs, der iTunes Store und das Cloud Computing sind Beispiele hochkomplexer Entwürfe, die große Einfachheit an ihrer Oberfläche zeigen. Ihre Nutzer müssen nicht verstehen, was sich tief im Systeminneren abspielt.

Doch über solcherart Vereinfachungen hinaus überraschen uns neuerdings mobile Geräte und ihre Berührungs-empfindlichen Monitore mit einem neuen Design-Modus: der Trivialisierung von Informationsverarbeitung. Geräte mit der Leistungsklasse von zehn Jahre alten PCs ohne Tastatur, Maus oder Kabeln, die eher wie Schokoriegel oder Schiefertafeln, der Ausstattung von Erstklässlern, aussehen, verführen uns dazu, wieder mit den Fingern zu malen und nach den Objekten unserer Begierde zu grabschen. Und wir sind's zufrieden und kaufen diese Dinger, millionenweise täglich. Es geht wieder ganz einfach zu, viel simpler, als wir es am PC je akzeptieren würden. Trivialisierte Nutzer betatschen glücklich, was sie vom Monitor zu verlangen gelernt haben. Haptik ersetzt Optik und Intellekt, als ob wir für den Verlust des Materiellen entschädigt werden müssten, den uns die Computer beschert haben. Und dies bringt uns die Wunder der Jetztzeit, etwa interaktive Medienkunst für 99 Cent das Stück im App Store. Ist noch wer überrascht? Ist das alles wirklich dermaßen trivial?

Dabei ist Trivialisierung alles andere als trivial. Programmierung bleibt eine Tätigkeit zwischen Kunst und Magie, und hier sehen wir neue Höhepunkte dieser Fertigkeiten, vor denen ein Erblassen in Ehrfurcht nicht verkehrt wäre.

Dieser Trend wirkt sogar in Informationssystemen im Großen, vor allem solchen höchster Akzeptanz: Googles Page Rank ersetzt Signifikanz; iPods wollen keine Computer sein; Facebook trivialisiert schlechterdings, was einmal Freundschaft hieß, und uns bleibt nur zu hoffen, dass alle dieses als Metapher verstehen; Cloud Computing stiehlt sich aus der Verantwortung für Daten.

Werden Computer zu trivialen Maschinen, der "love affair of the western culture", wie Heinz von Förster sie nannte? Ist nun das Feuilleton der Ort der Kritik des Digitalen, nicht mehr die Ecken der Assemblerprogrammierer? Braucht es keinen Durchblick mehr? Ist alles tatsächlich so trivial geworden?

Donnerstag, 7. Juli 2011

09:00 Anmeldung
10:50 Eröffnung
11:00 Trivialität und Freiheit. Eine Menschenfassung der 1960er.
Claus Pias und Jan Müggenburg
11:45 Gamification -- Zur funktionalen Ausdifferenzierung von Spielformen und deren Rückwirkung auf das Spiel
Stefan Werning
12:30 Mittagspause
13:30 Essenz, Vereinfachung, Trivialisierung? Minimalisierung als Methode.
Michael Straeubig
14:15 Blackbox Game -- Der Verlust des Interface
Sebastian Felzmann
15:00 Kaffeepause
15:30 Faceshop -- Ökonomische Erschließung der Freundschaft durch Facebook
Luca Di Blasi
16:15 Online-Dating -- Trivialisierung der Liebe oder kontemporäre Variante der Partnersuche?
Julia Dombrowski

17:45 Begrüßung
Präsidium der Leuphana Universität Lüneburg
Laudatio auf Prof. Ivan Sutherland
Frieder Nake
18:00 The Art of Engineering and the Engineering of Art (preliminary title)
Ivan Sutherland
19:00 Stehempfang mit Sekt und Fingerfood

Freitag, 8. Juli 2011

10:00 Triviale Instrumente -- Mapping als Differenz?
Arne Till Bense
10:45 Kaffeepause
11:15 Interface für Streichquartett ohne Menschen
Yasuhiro Sakamoto
12:00 Triviale Samples -- Von der elektronischen Avantgarde in die Charts
Rolf Großmann
12:45 Mittagspause
13:45 Taste und Finger. Anmerkungen zum Begriff des Digitalen
Till A. Heilmann
14:30 Zurück in die Kindheit -- Infantilisierung im UI Design
Matthias Müller-Prove
15:15 Kaffeepause
15:45 "It's Just Common Sense": Die Trivialisierung des Menschenverstands durch die Künstliche Intelligenz
Heinz-Günter Kuper
16:30 Möglich ist alles
Jörg Pflüger
17:30 Controller Jam
Jörg Klußmann und Studierende
Demanding Supplies -- Nachfragende Angebote
Kunstraum der Univerisät Lüneburg
20:00 Abend im Biergarten

Samstag, 9. Juli 2011

10:00 Die "billige Pracht" der Sichtbarmachung -- Die Geschichte grafischer Benutzeroberflächen zwischen Sehen und Verbergen -- …oder: über Konjunkturen der (Bild)Kritik des Trivialen
Margarete Pratschke
10:45 "Lob der Oberflächlichkeit" -- Für eine Philosophie der Benutzeroberfläche
Claudia Becker
11:30 Kaffeepause
11:45 Das Triviale ist komplex: wie viel "Realität" braucht die Realitätsbasierte Interaktion?
Tanja Döring
12:30 concrete | conceptual | computational in art & trivialization in computing
Susan Grabowski und Frieder Nake
13:15 Sitzung der Fachgruppe "Computer als Medium" des Fachbereichs "Informatik und Gesellschaft" der GI e. V.

Ausstellung und Präsentationen
Marius Brade: Es gibt Reis!" - wie Substanzen aus dem Alltag Multitouch- Oberflächen vereinfachen können.
Lukas Grundmann, Marie Kemper, Tilman Kollin, Nora Unger: iSwagga
Johannes P. Osterhoff: Interface Art vs. Interface Trivialization
Stefan Riebel: http://e43517.net/
Hartmut Sörgel: Alles nur Wörter

Anmeldung und Gebühren
Für die Pausengetränke, gedruckte Materialien und das Rahmenprogramm bitten wir um einen Kostenbeitrag von 25 Euro, der vor Ort zu entrichten ist. Bitte melden Sie sich unter hyperkultleuphana.de zur Teilnahme an.

Programmkomitee
Lena Bonsiepen, Berlin
Wolfgang Coy, Berlin
Rolf Großmann, Lüneburg
Wolfgang Hagen, Berlin
Jochen Koubek, Bayreuth
Andreas Möller, Lüneburg
Claus Pias, Lüneburg
Martin Schreiber, Lüneburg
Georg Christoph Tholen, Basel
Georg Trogemann, Köln
Anna Tuschling, Bochum
Martin Warnke, Lüneburg

Organisation
Rolf Großmann <grossmannuni.leuphana.de>
Claus Pias <piasuni-leuphana.de>
Martin Schreiber <schreiberuni.leuphana.de>
Martin Warnke <warnkeuni.leuphana.de>

Quellennachweis:
CONF: HyperKult XX: Trivialisierung (Lüneburg, 7-9 Jul 2011). In: ArtHist.net, 16.05.2011. Letzter Zugriff 28.03.2024. <https://arthist.net/archive/1397>.

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