ANN 23.04.2016

eikones Summer School 2016 (Basel, 4-9 Sep 2016)

Basel, eikones Forum, 04.–09.09.2016
Deadline/Anmeldeschluss: 30.05.2016

Heike Freiberger, eikones - NFS Bildkritik

Ausschreibung
eikones Summer School
4. – 9. September 2016

Es finden in diesem Jahr zwei Kurse statt:

Kurs 1: Ikonizität der Schrift. Praktiken und Beschränkungen
Kursleitende: Wolfgang Behr, Cale Johnson, David Klotz, Antonio Loprieno, Annick Payne,
Andréas Stauder, Anna Stryjewska

Kurs 2: Realismus in der Kunst und Literatur
des 19. Jahrhunderts
Kursleitende: Malika Maskarinec, Matthias Krüger

Kurs 1: Ikonizität der Schrift.
Praktiken und Beschränkungen

Komplexe Schriften – wie die ägyptischen Schriften, die Keilschrift, anatolischen Hieroglyphen, die chinesischen und die mesoamerikanischen Schriften – weisen charakteristische ikonische Eigenschaften auf. Ihre Schriftzeichen machen von Formen Gebrauch, die in unterschiedlichem Mass auf wiedererkennbare visuelle Referenten verweisen. Allerdings kann die Motivation dieser Zeichen durch die ihnen zugeordneten sichtbaren Referenten auf sehr unterschiedliche Weisen erfolgen. Schreiber können das ikonische Potential von Schriftzeichen auf einem weit gefassten, jedoch stets gewissen Regeln unterworfenen Spielfeld ikonischer Manipulation bewusst und auf vielfältige Art und Weise erhöhen oder auch verschleiern. Ähnliches gilt auch für das grundsätzliche Ikonozitätsniveau komplexer Schriftsysteme.

Der Kurs zielt auf die Entwicklung methodischer Ansätze ab, welche unterschiedliche Facetten von Ikonizität als zentrales Phänomen komplexer Schriften identifizieren. Ikonizität wird hierfür als eine grundsätzlich dynamische und pragmatische Kategorie verstanden, die ihr Potential als methodisches Rahmenkonzept an der Schnittstelle zwischen a) Text-Artefakt, in dem die Zeichen überhaupt erst existieren, b) umfassender Semiotik der mit dem Schriftsystem mehr oder weniger eng verbundenen (visuellen) Kultur und c) kognitiven Problemen der Schrifterkennung und des Lesens erweist.

Ein Schriftzeichen ist nicht an sich ikonisch, kann aber – abhängig von Betrachter und Kontext – in gewissem Umfang als ikonisch motiviert wahrgenommen werden. Neuere Forschungen zeigen deutlich, dass das Lesen komplexer Schriften sich zweier Pfade, namentlich eines semantischen und eines phonetischen, bedient. Auf kognitiver Ebene kann Ikonizität den Prozess flüssigen Lesens unterstützen, ist aber selber neurologischen Bedingtheiten unterworfen, was beispielsweise die Formerkennung betrifft. Auf semiotischer Ebene kann eine bewusst gesteigerte Ikonizität auch dazu führen, dass ein Zeichen als Zeichen, eher denn als Statthalter eines durch dieses Zeichen repräsentierten Wertes wahrgenommen wird.

Entsprechend kann Ikonizität als Bestandteil regulärer Schriftpraktiken den Leseprozess unterstützen, darf aber, um die Lesbarkeit nicht zu gefährden, einen gewissen Schwellenwert nicht überschreiten. Solche Beziehungen beeinflussen mithin z.B. die Wahl von Zeichenformen, das Spektrum möglicher formaler Zeichenvariation, die Ableitung weiterer Zeichen (auf Basis deiktischer, differenzieller oder kompositorischer Verfahren), und Kursivierungsprozesse. Funktionale und letztlich kognitive Problemstellungen dieses Typs sind auch zentral für das Verständnis sowohl frühester Schrifterfindungen als auch späterer Entwicklungen. Historisch wie semiotisch eingehend neu zu betrachten wäre daher auch die traditionelle ‘Piktographiehypothese primärer Ikonizität’ als Bestandteil der Schriftgenese, sowie die mit dieser verbundenen teleologischen Evolutionsmodellen, die eine historisch zunehmend reduzierte Ikonizität voraussetzen.

Umgekehrt können einige weniger häufig belegte, aber dennoch kulturell bedeutsame Schriftpraktiken – z.B. spielerische, verrätselte und kryptographische Praktiken – die ikonische Qualität von Schriftzeichen bis hin zur Beeinträchtigung der Lesbarkeit hervorheben, so dass der Leser quasi über die Zeichen ‘stolpert’, während zeitgleich andere, auch nicht-sprachgebundene Bedeutungsebenen erschlossen werden. Derartige Praktiken sind häufig ausschlaggebend für kulturelle Ideologien bzw. indigene (oder auch fremde) Metadiskurse über die Ikonizität von Schriftzeichen, welche dem, was wir über die historisch belegte Herkunft von Schriftzeichen wissen, nicht selten entgegenstehen. Auf der visuellen Ebene kann Ikonizität auch auf Weisen hervorgehoben werden, die die Grenzen zwischen Bild und Schrift, zwischen Visualität und Artikuliertheit (des Spachlichen) verschleiern.

Als pragmatische Kategorie kann Ikonizität nur in tatsächlichen Textartefakten existieren, wobei auch die Struktur eines Textes selbst, etwa eines administrativen Dokumentes, in Bezug auf die administrativen Praktiken, die die Dokumente generierten, ikonisch sein kann. Verschiedene Textformate früher Gesellschaften basieren auf semiotischen Leitmodellen (z.B. die Briefform), die wiederum selten ideologisch neutral sind.

Der Kurs verschreibt sich nicht einer bestimmten Methode oder einem theoretischen Modell, sondern versucht vielmehr eine breite Annäherung an Ikonizität als dynamische Kategorie, die durch Kultur und Kognition bedingt wird, die sich in Praktiken erweist und beschreibbaren Restriktionen unterliegt. Es sollen Konzepte eingeführt und entwickelt werden, die auf praktischen Beispielen aus einer Vielzahl der oben genannten komplexen Schriftsysteme beruhen.

Die eikones Summer School bittet um Bewerbungen fortgeschrittener und graduierter Studierender der einschlägigen Disziplinen (Ägyptologie, Altorientalistik, Sinologie usw.) sowie von Studierenden mit prononciertem Interesse an den semiotischen, philosophischen, kognitiven, kulturgeschichtlichen und ästhetischen Facetten der zu behandelnden Probleme. Die Kenntnis einer komplexen Schrift wird nicht vorausgesetzt, wäre aber durchaus von Vorteil.

Die Kurssprache ist Englisch. Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird erwartet, dass sie sich sowohl durch Referate als auch durch aktive Beteiligung an den Diskussionen für das Gelingen des Kurses einsetzen. Der NFS Bildkritik übernimmt die Kosten der Unterkunft und der Mittagsverpflegung.


Die Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, in einem Motivationsschreiben (Umfang ca. 350 Wörter) ihr Interesse deutlich zu machen und darin auch die Anbindungen ihrer eigenen Forschungsarbeiten an das Thema des Kurses zu erläutern. Der Bewerbung bitten wir einen tabellarischen Lebenslauf beizulegen. Nähere Details sowie eine Literaturliste zu den einzelnen Seminaren erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Auswahlverfahren. 


Bitte senden Sie Ihre Unterlagen per Email (ein PDF-Dokument, max. 10 MB) bis spätestens 30. Mai 2016 an annick.payneunibas.ch.
Koordination: Wolfgang Behr, Cale Johnson, David Klotz, Antonio Loprieno, Annick Payne,
Andréas Stauder, Anna Stryjewska

Kurs 2: Realismus in der Kunst und Literatur
des 19. Jahrhunderts
Angesichts der Fülle aktueller Forschungsansätze befasst sich Kurs 2 der diesjährigen eikones Summer School mit dem historischen Realismus des 19. Jahrhunderts und den klassischen Positionen seiner kritischen Bestimmung (Auerbach, Barthes, Lukács). Im Mittelpunkt stehen die deutschsprachige Literatur und Malerei der Epoche, jedoch sollen weitere Traditionen z.B. aus dem französischen oder angloamerikanischen Raum in Betracht kommen. Die Betrachtung einzelne Werke soll dazu dienen grundlegende Fragen zum Wesen des Realismus ins Zentrum zu stellen. Auf welche Realität erheben spezifische Werke und deren proklamierter Realismus Anspruch? Mittels welcher Techniken und vor welchem programmatischen Hintergrund versuchen sie, die Wirklichkeit zu erfassen? Deckt sich die Realität des Realismus mit den alltäglichen Erwartungen und entspricht sie allgemeine Konventionen? Oder operiert der Realismus im Gegenteil mit unkonventionellen Brüchen, die Wahrnehmungen erschüttern, liminale Schwellenräume eröffnen und die Instabilität des Realen selbst zur Schau stellen?

Einen Schwerpunkt des Studienkurses bilden Phänomene der intermedialen Konkurrenz – zwischen literarischem Text und Malerei, sowie deren gemeinsamen Antagonismus zum vermeintlich einzigen, unmittelbaren Zugang der Fotografie zum Realen. Es wird zu untersuchen sein, wie Texte und Bilder die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Medien selbst reflektieren. Kritisieren z.B die umfangreichen, beschreibenden Passagen im poetischen Realismus die gegenwärtige Malerei wegen seinem vermeintlichen Übermass an Phantasie und seiner Unfähigkeit Bewegung und Ganzheit im Bild zu vereinen? Der Fokus auf den unterschiedlichen medialen Strukturen wird ausserdem als Gelegenheit dienen, der Frage nachzugehen, ob und wie literaturwissenschaftliche und kunsthistorische Studien zum Realismus für einander fruchtbar gemacht werden können.

Den zweiten Schwerpunkt bildet die Phänomenologie der Verkörperung, insbesondere der Frage, wie das Reale immer aus der Perspektive von bestimmten körperlichen Sinnesmodalitäten, der Orientiertheit des Körpers und seiner Einbettung in die physische Welt erfahren wird. Während jüngste Forschungen sich auf die Reflexivität des Realismus konzentriert haben– d.h. wie Werke des Realismus unumgänglich auch deren Zeichenhaftigkeit mit ausstellen und deswegen eine Form proto-modernistischer Abstraktion darstellen – untersuchen wir wie der Realismus die Gefahren reflektiert, als Körper eine Welt aus Dingen zu bewohnen und dabei die affektive und körperliche Teilnahme der Betrachtenden zu aktivieren.

Je nach den Interessen und Beiträgen der Teilnehmenden wird der Studienkurs auf eine Auswahl kritischer Texte, kanonischer AutorInnen und KünstlerInnen des Realismus (z.B. Flaubert, Courbet, Stifter, Keller, Menzel, Eakins) fokussiert sein. Teilnehmende werden eingeladen spezifische Werke zu diskutieren und können, sofern erwünscht, ihre eigenen Forschungen zum Thema präsentieren.

Bewerbungen von Studierenden im Master- und Doktoratsstudium aus allen thematisch relevanten Fachbereichen sind willkommen. Der Studienkurs wird von Dr. Malika Maskarinec (Basel) und Dr. Matthias Krüger (München) geleitet. Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Bewerbung und allen weiteren Fragen an Malika Maskarinec (malika.maskarinecunibas.ch).

Die Kurssprachen sind Deutsch und Englisch. Die passive Kenntnis beider Sprachen wird vorausgesetzt. Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird erwartet, dass sie sich sowohl durch Referate als auch durch aktive Beteiligung an den Diskussionen für das Gelingen des Kurses einsetzen.
Der NFS Bildkritik übernimmt die Kosten der Unterkunft und der Mittagsverpflegung.
Die Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, in einem Motivationsschreiben (Umfang ca. 350 Wörter) ihr Interesse deutlich zu machen und darin auch die Anbindungen ihrer eigenen Forschungsarbeiten an das Thema des Kurses zu erläutern. Der Bewerbung bitten wir einen tabellarischen Lebenslauf beizulegen. Nähere Details sowie eine Literaturliste zu den einzelnen Seminaren erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Auswahlverfahren. 


Bitte senden Sie Ihre Unterlagen per Email (ein PDF-Dokument, max. 10 MB) bis spätestens 30. Mai 2016 an malika.maskarinecunibas.ch.
Koordination: Malika Maskarinec

weitere Informationen unter
https://eikones.ch/nc/veranstaltungen/detail/?tx_cheikonesevent_pi1[uid]=455&cHash=ac4fb36906cb2d49e20b72969b0f88f7

Quellennachweis:
ANN: eikones Summer School 2016 (Basel, 4-9 Sep 2016). In: ArtHist.net, 23.04.2016. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/12774>.

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