CONF 01.09.2015

Zur Aktualität von Werkverzeichnissen (Greifswald, 17-19 Sep 15)

Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, 17.–19.09.2015

Jörg Trempler

Sammeln, Zuschreiben, Weitergeben.
Zur Aktualität von Werkverzeichnissen

Wissenschaftliche Leitung: Prof Dr. Kilian Heck (Greifswald),
Prof. Dr. Jörg Trempler (Passau)

Die Erstellung von Werkverzeichnissen geht mit einer Fokussierung auf die Person des Künstlers einher. Vasari oder van Mandert haben durch ihre Künstlerviten mithin einer Forschung das Tor geöffnet, die mit stilistischen und formalen, später auch mit naturwissenschaftlichen Methoden versucht, einen Corpus der Werke zu definieren, die einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Künstlerin zuzuordnen sind. Die zeitabhängigen Begriffe des Originals, der Kopie oder auch der Version sind dabei insbesondere seit dem 19. Jahrhundert in der kunsthistorischen Forschung erörtert worden und haben mit dem Holbein-Streit auch fachübergreifende Resonanz ausgelöst. Spätestens mit Heinrich Wölfflins „Kunstgeschichte ohne Namen“ entstanden jedoch auch kritische Stimmen, die in Werkverzeichnissen eher eine Aufgabe des Kunsthandels sahen und weniger eine der akademischen Forschung oder der Museen. Eine formorientierte oder eine nach der politischen Ikonographie fragende Kunstgeschichte sah schließlich nur noch in übergeordneten geistesgeschichtlichen Zusammenhängen ihr Arbeitsfeld. Dadurch wurde in gewisser Weise auch der Künstler von seinen Werken entkoppelt. Die Rede vom „Tod des Autors“ (Roland Barthes) hat entsprechend auch die Frage nach den Werkverzeichnissen weitgehend verstummen lassen.

Durch die Washingtoner Erklärung, aber auch durch den „Fall Gurlitt“ ist die Provenienzforschung und mir ihr auch die Frage nach den Werkverzeichnissen wieder aktueller geworden. Welche Werke welchem Künstler und welchem Besitzer zuzuordnen sind, beschäftigt seitdem die Forschung mehr denn je. Die Frage nach dem „Original“ hat durchaus Konjunktur. Eine webbasierte Erstellung eines Werkkorpus ist zudem in der Lage, Werkverzeichnisse elektronisch zu erstellen, was den internationalen Austausch der Ergebnisse befördert.

Zudem hat es innerhalb der Kunstgeschichte in den letzten Jahren ein neue Zuwendung hin zur Objekt- und Materialforschung gegeben, die ebenfalls eine wissenschaftliche Grundlage zur Erarbeitung von Werkverzeichnissen befördert. Hier wäre die Frage, ob es gelingen kann, ein Standard zu erarbeiten und inwieweit heute neben der oberflächlichen Analyse auch Techniken zum Einsatz kommen sollten, die auch tiefer liegende Schichten des Werkes visualisieren können. Darüber hinaus ist untersuchenswert, inwieweit diese materialtechnischen Analysen wiederum für geisteswissenschaftliche Erkenntnisse, die über die reine Zuschreibung hinaus gehen, nutzbar gemacht werden können.

Schließlich zeigen die Aktivitäten im Feld der Digital Humanities, dass eine systematische Sammlung von Werken neue Erkenntnisse und Fragen für die Forschung aufwerfen können. Digitale Werkverzeichnisse können zunächst helfen, die zum Teil schwer zugänglichen Werke einer breiteren Forschergemeinde zugänglich zu machen. Darauf aufbauend soll die Tagung ausloten, inwieweit vorhandene Projekte miteinander vernetzt oder einzelne Werke und die dazugehörigen Datensätze in zukünftigen Projekte verknüpft werden können, um die Arbeit mit den Verzeichnissen zu erleichtern.

Das Symposium möchte danach fragen, welche Standards künftig bei der Erstellung von Werkverzeichnissen gelten sollen, welche kunsthistorischen oder auch juristischen Fragen (Provenienzen, Eigentümerrechte, Bildrechte etc.) dabei eine Rolle spielen und wie die Forschung zu Werkverzeichnissen die Geisteswissenschaften insgesamt beeinflusst.


PROGRAMM

Donnerstag, 17. September 2015

14.00 Uhr Einführung durch die Tagungsleiter

14.30 Uhr Hans Dieter Huber, Stuttgart
Vom Künstlernachlass zum Werkverzeichnis – aktuelle Fragen und Probleme

15.00-15.15 Uhr Diskussion

15.15 Uhr Ute Haug, Hamburg
Provenienzforschung in der Kritik?

15.45 Uhr Sandra-Kristin Diefenthaler, Stuttgart
Museen in der Bringschuld? Zur Zukunft der Provenienzforschung in Museen

16.15-16.45 Uhr Diskussion

16.45-17.15 Uhr Kaffee

17.15 Uhr Annette Tietenberg, Braunschweig
Das Werkverzeichnis als werkkonstituierender Faktor in der Kunst seit 1960

17.45 Uhr Ulrich Blanché, Heidelberg
Banksys Street Art Werkverzeichnis - Crowdgesourced und Geogetagged

18.15-18.45 Uhr Diskussion

19.00 Uhr (öffentlicher Abendvortrag + Empfang)
Antoinette Friedenthal, Berlin
Werkgeschichtliche Grundbegriffe: Œuvre und Catalogue raisonné im 18. Jahrhundert


Freitag, 18. September 2015

9.00 Uhr Eva Wiederkehr Sladeczek, Bern
Vom handschriftlichen Oeuvre-Katalog zum on-line Werkverzeichnis

9.30 Uhr Gregor Wedekind, Mainz
Werkverzeichnisse durch Künstler am Beispiel Paul Klees (und Gerhard Richters)

10.00-10.30 Uhr Diskussion

10.30-11.00 Uhr Kaffee

11.00 Uhr Eveliinaa Juntunen, Bamberg
Ein Projekt mit langem Atem – Das Werkverzeichnis Corpus Rubenianum Ludwig Burchard (CLRB)

11.30 Uhr Michael Thimann, Göttingen
Kunst als Wissenschaftspraxis: Der Nachlass des Göttinger Malers und Kunsthistorikers Carl Wilhelm Oesterley (1805-1891)

12.00-12.30 Uhr Diskussion

13.00-14.00 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr Roland Dorn, Zürich
Zum Beispiel Carl Schuch: Von der Rezeption zum Catalogue raisonné - und dann?

14.30 Uhr Sybille Groß, Berlin
Zwischen Auge und Datenbank. Das Werkverzeichnis als Standortbestimmung des Kunsthistorikers im 21. Jahrhundert am Beispiel des Malers Lesser Ury (1861-1931)

15.00-15.30 Uhr Diskussion

15.30-16.00 Uhr Kaffee

16.00 Uhr Matthias Oberli, Zürich
Die hybriden Werkverzeichnisse des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA): Potentiale und Herausforderungen

16.30 Uhr Georg Schelbert, Berlin
Das Werkverzeichnis im digitalen Wissensnetz

17.00-17.30 Uhr Diskussion

19.00 Uhr Abendessen


Samstag, 19. September 2015

9.00 Uhr Christina Grummt, Bülach, Kanton Zürich
Autopsie und Kennerschaft – Zum Gesamtwerk der Zeichnungen von Caspar David Friedrich

9.30 Uhr Claudia Czok, Berlin
Wie Werkverzeichnisse verbindlich bleiben: Das Verzeichnis der Menzelgraphik 1923

10.00-10.30 Uhr Diskussion

10.30-11.00 Uhr Kaffee

11.00 Uhr Nadine Hahn, Frankfurt
Das Werkverzeichnis von Peter Roehr. Beispiel eines digitalen Werkverzeichnisses

11.30 Uhr Diskussion

11.45-13.00 Uhr Abschlussdiskussion

Quellennachweis:
CONF: Zur Aktualität von Werkverzeichnissen (Greifswald, 17-19 Sep 15). In: ArtHist.net, 01.09.2015. Letzter Zugriff 24.04.2024. <https://arthist.net/archive/10843>.

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